Eigentlich ein Grund zur Freude: Energieversorger wie Wien Energie, Salzburg AG oder Energie Burgenland gewinnen gerade Kunden – ohne viel dafür tun zu müssen. Der Grund: Viele private Energieversorger kündigen die Verträge ihrer Kunden oder gehen gar in Konkurs. McStrom und Care Energy sind bereits ausgeschieden, mehr als zehntausend Kunden sind betroffen. Und es braucht neue Strom- und Gaslieferverträge. Bankrotte Energieunternehmen? Und das trotz der enormen Gewinne der Branche angesichts steigender Preise? Das kommt heraus. Denn nur wer selbst Strom produziert, macht riesige Gewinne. In Österreich ist dies vor allem die Gewerkschaft, die in der Republik zur Mehrheit gehört. Sie kann nun ihren Strom aus billiger Wasserkraft zu hohen Marktpreisen verkaufen. Und jetzt müssen Energieunternehmen, die ihn nicht selbst produzieren, teuren Strom zukaufen.
Maxenergy Terminator kündigt Verträge mit Preisgarantien
So wie der Anbieter Maxenergy Austria Handels GmbH mit Sitz in Dornbirn in Vorarlberg. Ihr Geschäftsmodell: Strom und Gas möglichst günstig an der Börse kaufen und an lukrative Kunden verkaufen. Aber billig kaufen ist keine Option mehr. „Das Geschäft ist praktisch tot“, sagte ein Branchenexperte gegenüber MOMENT. Was früher ein stetiger Gewinn war, ist heute ein stetiger Verlust. Maxenergy trat auf die Bremse: Ende letzten Jahres kündigte das Unternehmen nach nur 12 Monaten Lieferverträge, die angeblich stabile Energiepreise für 18 Monate garantierten. Betroffen sind rund 11.000 Kunden. Ein Unternehmenssprecher sagte gegenüber MOMENT: Für Maxenergy gab es „aufgrund der deutlichen Preissteigerungen in den vergangenen Monaten und den zu erwartenden weiteren Steigerungen“ praktisch keine Alternative zur Kündigung der Verträge. Verbraucherschützer reagierten darauf: Am heutigen Montag beginnt vor dem Bezirksgericht Dornbirn in Vorarlberg der erste Prozess. Laut Peter Kolba, dem Vorsitzenden des Verbraucherschutzverbandes (VSV), werden derzeit 19 Klagen gemeinsam verhandelt. Weitere 250 potenziell geschädigte ehemalige Maxenergy-Kunden haben sich inzwischen gemeldet. „Wir führen andere Klagen ein“, sagte Kolba gegenüber MOMENT. „Wir gehen davon aus, dass die Preisgarantie eingehalten und Schadenersatz geleistet werden muss“, sagte Thomas Hirmke, Leiter Recht beim Verband Verbraucherinformation (VKI) für MOMENT. Schließlich müssten Ex-Kunden nun einen deutlich teureren Neuvertrag mit Preisgarantie abschließen.
Der Schaden für Kunden kann Millionen betragen
VKI und VSV schätzen, dass ehemalige Maxenergy-Kunden in den ersten sechs Monaten dieses Jahres durchschnittlich 300 bis 500 Euro mehr für Strom und Gas bezahlen mussten. Wenn dies bei den 11.000 gekündigten Kunden der Fall wäre, wären das über 4 Mio. €. In einer bei MOMENT eingegangenen Klage beläuft sich der von einem ehemaligen Maxenergy-Kunden geltend gemachte Gesamtschaden sogar auf 1.348,38 Euro. Es sei “völlig nachteilig”, wenn Strom und Gas nach nur einem Jahr nicht mehr zu 18 Monate garantierten Preisen geliefert würden. Ein solches Vorgehen verstoße gegen das Transparenzgebot und sei eine „irreführende Geschäftspraxis“, heißt es im Prozessprotokoll. Der Kunde wäre den „Energieliefervertrag nicht eingegangen, wenn der Preisvorteil nicht für 18 Monate gewährleistet wäre“. Maxenergy sagt MOMENT: Sechs Monate vor Ablauf der Preisgarantie hat das Unternehmen die Verträge zu Recht gekündigt. Schließlich legen die AGB eine Mindestvertragsdauer von 12 Monaten fest. Nach Ablauf dieser Frist „erlischt die Preisgarantie“, behauptet der Vertreter von Maxenergy. Aber wenn es für anderthalb Jahre einen Festpreis verspricht, aber nach einem Jahr einseitig kündbar ist, “was ist die Preisgarantie wert?” fragt Thomas Hirmke vom VKI.
Maxenergy ist kein Einzelfall. Die ganze Branche zittert
„Maxenergy ist nicht allein“, sagte das Unternehmen gegenüber MOMENT. Es besteht Handlungsbedarf in der gesamten Branche. Ende vergangenen Jahres verklagte der VKI den Energiehändler Enstroga. Sie hatte wie Maxenergy Kundenverträge einseitig gekündigt, obwohl die Preisgarantie länger bestand. Ehemalige Kunden von Maxenergy, Enstroga und Co. landen oft bei Schlüssellieferanten, von denen die meisten im öffentlichen Sektor tätig sind. Wien Energie meldet MOMENT rund 20.000 Neukunden in den letzten Monaten, Energie Burgenland hat 5.000 Neukunden gewonnen. EVN nennt mehr als 1.000 neue Strom- und Gasverträge. Aber: Energiekonzerne begrüßen Neukunden nicht mit einem Küsschen. Warum nicht mit neuen Verträgen Gewinn machen, so die Lieferanten. Und das, obwohl die Preise für Strom und Gas durch die Decke gehen. Durch den Verkauf von Energie nur an Endkunden machten einige der großen Anbieter laut MOMENT sogar Verluste. Deshalb werben sie derzeit nicht aktiv für ihre Produkte, sagt ein Unternehmenssprecher. Private Stromhändler schließen ihre Pforten komplett: „Momentan bieten wir keine Tarife an“, schreiben einige Unternehmen auf ihrer Website. Daher sind Neukunden unerwünscht. Falsche Welt. Im deutschsprachigen Raum haben seit vergangenem Herbst rund 70 Energieversorger gekündigt. Nach Branchenangaben verfügen die meisten Unternehmen nicht über finanzielle Reserven. Und die meisten erzeugen selbst keinen Strom. So könnten sie zumindest die Verluste wettmachen, die sie jetzt an den Märkten machen.
Energieversorger schweigen darüber, wie sehr sie die Krise trifft
Wie viele Kunden daraufhin einen neuen Stromvertrag abschließen mussten, ist nicht bekannt. Die Unternehmen sind extrem eng. MOMENT hat bei vielen Energieversorgern nachgefragt. Wir wollten wissen, ob und wie viele Verträge mit Kunden gekündigt wurden, wie die finanzielle Situation des Unternehmens ist und wie es in Zukunft aussieht. Insbesondere die Firmen Awattar, Naturkraft, AAE, Montana-Energie und Alpenenergie haben unsere Fragen überhaupt nicht beantwortet. Nur ein Unternehmen hat konkret geantwortet: die oekostrom AG aus Wien. „Wir haben keinen Kunden gekündigt und werden dies auch nicht tun“, sagte Unternehmenssprecherin Gudrun Stöger. Allerdings ist die Lage schwierig. Steigende Energiepreise seien ein Problem, „weil es große Unterschiede zwischen Aktienkursen und aktuellen Marktpreisen gibt“. In diesem Jahr sind die Kosten für die Stromversorgung auf dem Markt um etwa die Hälfte gestiegen. Für das kommende Jahr rechnet oekostrom mit einer weiteren Verdopplung der Ausgaben dafür. Das bedeute: „Wir müssen mittelfristig die Preise für Bestandskunden erhöhen, das gefällt uns nicht.“ Langfristig gibt es aus Sicht von Stöger nur einen Weg, um den hohen Energiepreisen zu begegnen: “Wir müssen die erneuerbaren Energien konsequent ausbauen.” Klimaziele erreichen. Je mehr Strom aus billiger Wasserkraft, Wind und Sonne kommt, desto unabhängiger sind die Industrie und ihre Kunden vom Gas – und damit nicht mehr dem Hauptherkunftsland Russland ausgeliefert.