Tomaten enthalten von Natur aus sehr geringe Mengen an 7-Dehydrocholesterol. Der Stoff wird auch als Provitamin D3 bezeichnet, weil Vitamin D3 daraus entsteht, wenn er ultraviolettem Licht ausgesetzt wird. Bei der Erforschung von Stoffwechselvorgängen in Tomaten haben Wissenschaftler herausgefunden, dass ein Enzym 7-Dehydrocholesterin in andere Pflanzenstoffe, die Skleoside, umwandelt. Sie helfen der Tomate, Schädlinge und Krankheitserreger zu bekämpfen. Das Team am John Innes Center (JIC) unter der Leitung von Professorin Cathie Martin hat nun mithilfe von Crispr/Cas9 das Gen, das dieses Enzym produziert, stillgelegt. Dadurch reicherte sich 7-Dehydrocholesterin in den Blättern und Früchten von Tomatenpflanzen an – während der Kürbisgehalt deutlich reduziert wurde. Bestrahlte man die so modifizierten Tomaten mit ultravioletter Strahlung (was im Freien die Sonne tun muss), wurde das 7-Dehydrocholesterin der Frucht in Vitamin D3 umgewandelt. In einer in der Zeitschrift Nature Plants veröffentlichten Studie schätzten JIC-Forscher, dass man mit einer solchen Tomate genauso viel Vitamin D zu sich nehmen würde wie mit zwei Eiern oder 28 Gramm Thunfisch. Außerdem könnte Vitamin D3 in den Blättern in Nahrungsergänzungsmittel umgewandelt werden. Tomate ist also geeignet, die Mangelversorgung mit Vitamin D auszugleichen, von der laut Studie eine Milliarde Menschen betroffen sind. Andere eng verwandte Pflanzen, die den gleichen Stoffwechselweg teilen, wie Auberginen, Kartoffeln und Paprika, könnten mit dieser Methode ebenfalls Vitamin D anreichern, heißt es in der JIC-Pressemitteilung. Gerade während der Corona-Pandemie wurde deutlich, wie wichtig ein guter Vitamin-D-Spiegel für die Gesundheit ist. Die Gendeaktivierung hatte gemäß den Erfahrungen aus der Gewächshausstudie keine negativen Auswirkungen auf das Pflanzenwachstum, die Entwicklung und den Ertrag. Ob das auch für das Stadion gilt, bleibt abzuwarten. Das Testbiotech-Institut in München warnt davor, dass ein Eingriff in die Gentechnik in ihren Abwehrmechanismus Tomaten anfälliger für Krankheiten und Schädlingsbefall machen könnte. Andere Wechselwirkungen mit der Umwelt sollten ebenfalls untersucht werden. Bei den Tomaten selbst sollte geprüft werden, ob durch den Eingriff unbeabsichtigt Bestandteile verändert oder andere Stoffwechselwege gestört wurden. Abschließend weist Testbiotech darauf hin, dass die Konzentration von Vitamin D in Tomaten je nach Sorte und Umweltbedingungen stark variieren kann. In der Zeitschrift Nature kommentieren Wissenschaftler, dass mehr Forschung darüber betrieben werden muss, wie stabil das Vitamin in Tomaten ist, wenn es gelagert oder verarbeitet wird. Zu klären wäre auch, wie gut der menschliche Körper das Vitamin aus Tomaten aufnehmen kann. Es sei unmöglich, auf diese Weise eine zuverlässige Dosis zu verabreichen, schreibt Testbiotech. Um potenzielle Gesundheits- oder Umweltgefährdungen frühzeitig zu erkennen, fordert das Institut eine genaue Untersuchung der Gefahren dieser gentechnisch veränderten Pflanzen. Liz O’Neill, CEO von GM Freeze GMO, sagt, die neue Tomate sei einfach überflüssig: “Die Supermarktregale sind bereits voll mit hervorragenden Vitamin-D-Quellen: von fettem Fisch, Eiern und rotem Fleisch bis hin zu angereicherten Cerealien.” Tomate’ wird das Problem des Vitamin-D-Mangels nicht lösen, denn schlechte Ernährung ist eine Folge von Armut und einer fehlerhaften Ernährung. ‘Wir brauchen systemische Veränderungen, keinen gentechnisch veränderten Ketchup’”, sagte O’Neill. [lf/vef]