Stand: 14.11.2022 19:00 Uhr                 

Honorarkonsuln erfüllen diplomatische Aufgaben und genießen daher rechtliche Privilegien. Eine internationale Untersuchung zeigt nun, dass das Büro auch von Kriminellen genutzt wird – und dass es kaum Gegenstand politischer Kontrolle ist. Von Andreas Braun, Petra Blum, WDR, Jan Lukas Strozyk, Benedikt Strunz, Felix Voogt, NDR

Für den internationalen Waffenhändler Faouzi Jaber stand an diesem Tag viel auf dem Spiel. Er war eigens nach Ghana gereist, um seinen kolumbianischen Freund Diego in einem diskreten Luxushotel zu treffen. Berichten zufolge wollte Diego Raketen und Granaten kaufen, um sie im kolumbianischen Drogenkrieg einzusetzen.

Um den Deal zu erleichtern, machte Jaber seinem Kunden, der allerdings ein Geheimagent war, einen überraschenden Vorschlag: Um die Waffen sicher über den Atlantik transportieren zu können, wäre es sinnvoll, dass sein Käufer Diplomat werde, um genau zu sein sagte er, Honorarkonsul. Er, Jaber, könne sehr nützlich sein: “Das ist Ihre Chance auf Immunität”, sagte er zu Diego – also auf Straffreiheit.

Diplomatische Freiheiten werden ausgenutzt

Das Gespräch zwischen dem Waffenhändler und dem mutmaßlichen südamerikanischen Kartellmitglied wurde von der US-Betäubungsmittelbehörde DEA aufgezeichnet. NDR, WDR und “Süddeutsche Zeitung” haben die umfangreichen Berichte der fast zweijährigen Ermittlungen gegen libanesische Waffenhändler erhalten, die der Terrormiliz Hisbollah zugeschrieben werden. Sie geben einen tiefen Einblick in die Welt des illegalen Handels mit Kriegswaffen. Und sie verdeutlichen ein gravierendes Problem, das politisch bislang wenig Beachtung findet: Immer wieder nutzen Kriminelle das Amt des Honorarkonsuls, um unter Ausnutzung diplomatischer Freiheiten kriminelle Machenschaften zu erleichtern.

Waffenhändler Faouzi Jaber bestreitet auf Nachfrage, Mitglied der Hisbollah zu sein. Er betont aber auch die große Bedeutung des Honorarkonsulats in der Welt der organisierten Kriminalität: „Ich weiß, wie Honorarkonsuln arbeiten, ich weiß, wie sie entstehen. Honorarkonsuln bewegen Drogen und Geld. Ich kenne viele Honorarkonsuln, die sich auf alle möglichen Dummheiten einlassen.’ Jumper wurde 2017 nach seiner Festnahme zu 15 Jahren Haft in den USA verurteilt.

Globale Forschung

Recherchen des International Network of Investigative Journalists (ICIJ), Pro Publica und vieler anderer Medien auf der ganzen Welt zeigen, wie groß das Problem ist. Die Untersuchung zeigt, dass mehr als 500 derzeitige und ehemalige Honorarkonsuln auf der ganzen Welt in Verbrechen, Skandale und staatliche Ermittlungen verwickelt sind. 57 von ihnen wurden während ihrer Amtszeit strafrechtlich verurteilt. Hunderte von Gerichtsdokumenten, öffentlichen Quellen und Ermittlungsunterlagen wurden für die Recherche gesichtet. In Deutschland recherchierten Journalisten von NDR, WDR und SZ sowie „Spiegel“ das Projekt, dessen Ergebnisse nun weltweit unter dem Hashtag #ShadowDiplomats veröffentlicht werden.

Untersuchungen zeigen, dass verurteilte Drogendealer, Mörder, Sexualstraftäter und Betrüger als Honorarkonsuln gedient haben, ebenso wie Helfer einiger der korruptesten Regime der Welt, darunter Nordkorea, Syrien, Südsudan und die Hisbollah. Den Ermittlungen zufolge standen viele der 500 Honorarkonsuln im Verdacht, während ihrer Amtszeit ihre diplomatischen Privilegien zu ihrem Vorteil genutzt zu haben, etwa um politische, finanzielle oder kriminelle Interessen zu verfolgen.

Die Untersuchung enthüllt auch, wie Honorarkonsuln wiederholt auf ihren Diplomatenstatus verwiesen, um Ermittlungen und Verhaftungen zu vermeiden, sogar um Steuern und Strafzettel zu hinterziehen. In anderen Fällen benutzten sie ihre Diplomatentaschen, um Wertsachen zu schmuggeln.

Besonders drastisch ist der Fall eines ehemaligen italienischen Honorarkonsuls in Ägypten. Vor zwei Jahren verurteilte ihn ein Gericht in Kairo in Abwesenheit zu 15 Jahren Gefängnis, weil er angeblich fast 22.000 altägyptische Artefakte in einem Diplomatencontainer außer Landes gebracht hatte, darunter Totenmasken und sogar einen ganzen Sarkophag.

Amateur-Diplomaten

Honorarkonsuln werden dort eingesetzt, wo eine reguläre diplomatische Vertretung zu teuer wäre. Anders als Berufsdiplomaten sind Honorarkonsuln häufig Staatsbürger des Landes, in dem sie tätig sind. Sie werden von einem anderen Land genutzt, um seine Interessen vor Ort zu vertreten. Sie fungieren auch als Anlaufstelle für Reisende, wenn keine Botschaft vorhanden ist.

Amateurdiplomaten werden für ihre ehrenamtliche Tätigkeit nicht bezahlt, sondern mit diplomatischen Privilegien belohnt. Sie sind normalerweise durch Immunität geschützt, zumindest im Rahmen ihrer diplomatischen Tätigkeit. Ihr Gepäck und Ihre Post werden in einigen Ländern möglicherweise nicht durchsucht. Sie können auch spezielle Pässe und Nummernschilder erhalten, die den Grenzübertritt erleichtern.

Allein für Deutschland sind laut einer Anfrage des Auswärtigen Amtes derzeit 324 Honorarkonsuln im Einsatz. In der Regel gibt es kein standardisiertes Auswahlverfahren für Honorarkonsuln, oft werden Geschäftsleute für den Job ausgewählt, die als lokal gut vernetzt gelten. Das Problem: Die Entsendestaaten sind für die Überprüfung zuständig, die aber vielfach als zu lasch kritisiert wird, zumal Schulungen nicht immer verpflichtend sind. Das Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten weist darauf hin, dass Ehrendiplomaten äußerst wichtige Funktionen wahrnehmen, beispielsweise bei der Evakuierung von Landsleuten oder dem Verlust von Reisedokumenten.

Gezielter Missbrauch

Untersuchungen zeigen aber auch, dass das Amt oft bewusst missbraucht wird. Für den SPD-Bundestagsabgeordneten Sicherheitsexperten Sebastian Fiedler sind die Ergebnisse der Umfrage keine Überraschung. “Natürlich sind Honorarkonsuln eine attraktive Instanz, die auch von der organisierten Kriminalität ausgenutzt wird, weil sie natürlich auf die legalen Möglichkeiten angewiesen sind, die die Wirtschaft bietet.”

Die Ermittlungen ergaben, dass 25 deutsche Honorarkonsuln in strafrechtliche Ermittlungen verwickelt waren. Unter ihnen Peter Mossack. Sein Bruder Jürgen Mossack leitete die skandalöse panamaische Anwaltskanzlei Mossack Fonseca, die im Zentrum der Ermittlungen zu den Panama Papers stand. Peter Mossack fungierte in Deutschland als Honorarkonsul von Panama und…