Seitdem ist viel passiert: der Ausbruch der Pandemie wenige Wochen nach Vorstellung des Programms, nach einem kritischen Bericht des Rechnungshofs und dem Rückzug der Gründer des Loidolt-Festivals. Die Uraufführung wird Anfang Juli 2022 unter der neuen Intendantin Maria Happel nachgeholt. „Des Teufels General“ ist die einzige Loidolts-Produktion, die Hapel übernommen hat. Dazu kommen vier neue Werke, etwa „An Unequal Couple“ von Neil Simon oder „Die Möwe“ von Anton Tschechow – mehr dazu bei den Reichenauer Festspielen „Neubeginn“ (noe.ORF.at; 25.2.2022). ORF / Felix Novak Von 2. Juli bis 6. August wird Reichenau wieder zum Zentrum des österreichischen Theaters
Jung und Alt auf der Bühne und im Publikum
Die Produktion, die das Schreiben des neuen Intendanten wohl am besten zeigt, ist „Frühlings Erwachen“ von Frank Wedekind. Wie in allen anderen Fällen haben auch hier die Proben bereits die heiße Phase erreicht. Die Tragödie mit humorvollen Elementen betrifft junge Menschen und ihre Auseinandersetzung mit der bürgerlichen Gesellschaft – ein Bild, das die diesjährige Situation in Reichenau durchaus beschreiben kann. In diesem Zusammenhang konnte Happel neben der Schauspielerei auch das zweite wichtige Standbein ihrer Karriere einbringen: die Leitung des Max-Reinhardt-Seminars. Neben großen Schauspielern wie Stefanie Dvorak, Paul Matic und Martin Schwab treten in „Frühlings Erwachen“ junge Schauspieler und Schauspielerinnen aus der renommierten Talentschmiede auf. „Das ist meine große Idee, die vor allem ist“, sagte Happel gegenüber noe.ORF.at, „verschiedene Generationen zusammenzubringen, auf der Bühne und im Amphitheater.“ Der fast 85-jährige Schwab kann seine langjährige Bühnenerfahrung weitergeben – „und umgekehrt liebt er die Energie dieser jungen Leute“, sagt der Intendant. Es sei ein „Idealfall, wie ich es mir wünsche, dass jeder von jedem lernen kann“.
Regiedebüt für einen Filmstar
Nicht nur bei den Schauspielern gibt es etwas Neues, sondern auch bei der Regie. „Frühlings Erwachen“ ist das Debüt des Deutschen Christian Berkel, der sich als Filmschauspieler international einen Namen gemacht hat. Immerhin hat er in dem Oscar-nominierten „Der Untergang“ von Oliver Hirschbiegel oder „Inglorious Basterds“ von Quentin Tarantino mitgespielt. Dass er jetzt nach Reichenau zieht, führt Berkel in einem spontanen Gespräch mit Happel beim Deutschen Filmpreis an: „Er hat mich direkt gefragt, ob ich denke, ‚Frühlings Erwaken‘ wäre ein Stück, das man heute noch gut spielen könnte.“ Sie sagte ja, fragte ihn, ob er Lust hätte, Regie zu führen. “Ich sagte: ‘Pass auf, ich könnte mich hinreißen lassen’”, erinnert sich Berkel. ORF / Felix Novak Berkel mit drei jungen Schauspielern bei den Proben für „Frühlingserwachen“ Wedekinds Stück wurde 1906 ausgerechnet vom legendären Max-Reinhardt-Theater uraufgeführt – und sorgte damals für einen echten Skandal, da es um Themen wie Abtreibung und Homosexualität ging. Regisseur Berkel ist überzeugt, dass der Stoff aktueller denn je ist: „Ich habe noch nie jemanden getroffen, der gesagt hat, die Pubertät sei eine so schöne Zeit, ich würde sie gerne noch einmal erleben.“ Sie sind eher für Krisen und Verletzungen da, aber sie sind wichtig für die Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit. Es sei heute kein Skandal, „aber das Provokative des Stücks, die irritierende Seite des Stücks, bleibt“, sagt der Neo-Regisseur.
Ein Theater “wie eine Geburt”
Wenige Tage vor der Premiere probt das Theater Reichenau nicht nur, sondern hämmert, malt Zimmerleute. Das sind die stressigen Tage des Endspurts. „Es ist ein bisschen wie eine Geburt“, erklärt Regisseurin Hapel. „Im Moment befinden wir uns in den letzten Wehen und natürlich sind sie sehr schmerzhaft und sie kommen näher. Ich freue mich auf die Premieren, auf die glückliche Geburt des Fünfkampfs“. ORF/Felix Novak Maria Happel übernahm das Zepter vor der idyllischen Berglandschaft Ein großes Fragezeichen war am Anfang die Akzeptanz der Gäste. Schließlich bildeten die Loidolts über mehr als drei Jahrzehnte ein treues Stammpublikum in Reichenau. Aber auch nach Ende dieser Saison zeigte sich Happel beeindruckt von der Nachfrage: „Am ersten Tag, als wir Tickets verkaufen durften, fühlte ich mich wie die Rolling Stones.“ Mehr als 10.000 Karten waren allein am ersten Tag ausverkauft, „und das relativ ‚Des Teufels General‘ war schnell ausverkauft“, sagt der Intendant. Für die restlichen Produktionen, die am 2. Juli mit einer großen Eröffnungsparty in Reichenau starten, gibt es noch Karten.