Im „NSU 2.0“-Drohbriefprozess wurde der Angeklagte zu fünf Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt. Nach Angaben der Richter hatte der 54-Jährige Hassbriefe an Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens geschrieben.

Ein 54-jähriger Mann ist vom Landgericht Frankfurt am Main wegen zahlreicher Drohbriefe an Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zu fünf Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt worden. Das Gericht befand Alexandros M. unter anderem wegen Drohungen und Beleidigungen für schuldig. Die Nachrichten waren mit „NSU 2.0“ signiert. Das Gericht sei überzeugt, dass der Angeklagte die Briefe “alleine” geschrieben habe, sagte die Vorsitzende Richterin Corinna Distler in der Urteilsbegründung.

Distler warf dem Angeklagten verschiedene Straftaten vor, darunter öffentliche Aufforderung zur Begehung einer Straftat, Drohung, Beleidigung, Nötigung, Störung des öffentlichen Friedens und Volksverhetzung. Die Staatsanwaltschaft hatte für M. eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten beantragt.

Der Angeklagte bestritt alle Vorwürfe

In einer abschließenden Präsentation wies der Angeklagte alle Vorwürfe zurück. Diese sind nicht besetzt. Staatsanwälte und Polizei verbreiteten Lügen, um ihn als mutmaßlichen Einzelkämpfer anzuhängen, sagte er. Er war nur Mitglied einer rechten Chatgruppe im Darknet, hatte aber keine Straftat begangen. Nach einem Jahr und sieben Monaten Untersuchungshaft beantragte er Haftbefreiung unter angemessenen Voraussetzungen.

Zwischen August 2018 und März 2021 wurden mehr als 80 Drohbriefe per E-Mail, Fax oder SMS verschickt. Diese waren gefüllt mit wilden Beleidigungen und Morddrohungen. Die Empfänger waren hauptsächlich Frauen des öffentlichen Lebens: Rechtsanwältinnen, Politikerinnen, Journalistinnen und Staatsanwältinnen. Die Briefe waren mit „Heil Hitler“ unterzeichnet. Der Begriff „NSU 2.0“ bezog sich auf die rechtsextreme Gruppe, die zwischen 2000 und 2007 neun Migranten und einen Polizisten ermordete.

Die Opfer baten um weitere Informationen

Vor dem Urteil hatten die Empfänger der Drohbriefe um weitere Aufklärung gebeten. Linke Politiker wie Janine Wissler und Frauen des öffentlichen Lebens, darunter die Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz, die als erste Drohbriefe erhielt, müssen den Zugriff auf persönliche Daten von Betroffenen durch Polizeicomputer weiter untersuchen. Die Opfer gingen davon aus, dass zumindest das erste Drohfax von einem Polizisten und nicht vom Angeklagten versendet worden war. Die Gewerkschaft der Polizei hat diesen Verdacht zurückgewiesen.

Die Verteidigung kritisierte aber auch, dass die Staatsanwaltschaft von einem Einzeltäter ausgegangen sei und verwies auf einen Polizisten der 1. Polizeidirektion Frankfurt, dessen Rolle in dem Verfahren nicht hinreichend geklärt sei. AZ: 5/17 KLs – 6190 Js 216386/21 (24/21)