Allerdings ist nicht zu übersehen, dass dem See immer noch viel Wasser fehlt: Die Strände sind breiter, die Pfeiler ragen weit aus dem Wasser, und einige Schilfpflanzen sind vertrocknet. Es fehlt mehr als ein halber Meter Wasser, eine enorme Menge bei einer durchschnittlichen Tiefe von anderthalb Metern in normalen Jahren. ORF/Daniel Schrott Am Jachthafen in Illmitz wurde in den vergangenen Wochen Schlamm abgesaugt, damit Boote vom Hafen aus wieder in den See fahren können
Tödliche Kombination aus Hitze und Dürre
Der Neusiedler See ist ein Steppensee, der westlichste Europas. Er wird hauptsächlich durch Niederschläge gespeist, Nebenflüsse wie die Wulka und der Wolfsbrunnbach spielen eine untergeordnete Rolle. Wenn es wie in diesem Jahr nicht regnet oder schneit, sinkt der Wasserstand. Hier spielt die Verdunstung in Verbindung mit dem Wind in den Sommermonaten eine zentrale Rolle. An heißen Sommertagen kann ein Zentimeter Wasser verdunsten. In dem zunehmend wärmeren Klima nimmt die Verdunstung zu und 2022 ist laut der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) eines der wärmsten Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen in Österreich. Eine fatale Kombination, die im Sommer zu Wassertemperaturen von teilweise über 30 Grad führte. Dadurch sank der Sauerstoffgehalt im See und die Fische starben. Besonders Zander und Sichling, die kühleres Wasser bevorzugen, starben – mehr dazu auf burgenland.ORF.at. ORF/Daniel Schrott Der Schilfgürtel bei Illmitz ist noch trocken
15 Monate sehr trocken
Im Durchschnitt fallen im Gebiet rund um den Neusiedlersee fast 600 Liter Niederschlag pro Quadratmeter. In diesem Jahr hat es an der ZAMG-Wetterstation in Neusiedl bisher nur 350 Liter pro Quadratmeter und in Podersdorf nur 332 Liter pro Quadratmeter geregnet. Im Nordburgenland begann im vergangenen Jahr die Dürre. Vielerorts hat es nun 15 Monate in Folge unterdurchschnittlich geregnet und die Gegend verliert bereits 200 bis 300 Liter Wasser pro Quadratmeter. Nur 2003 hat es in der Zeit von Januar bis November etwas weniger geregnet als in diesem Jahr. Auch der niedrigste Wasserstand des Neusiedlersees seit Beginn der Messungen im Jahr 1965 stammt aus diesem Jahr – also bis zu diesem Jahr. Denn dieser Negativrekord wurde 2022 noch einmal deutlich reduziert.
Kein starker Regen in absehbarer Zeit
Bis Oktober dieses Jahres ist der Wasserstand gesunken und seither nur um wenige Zentimeter gestiegen. Der Pegel liegt jetzt 114,9 Meter über der Adria. Die aktuelle Wettervorhersage lässt wenig hoffen, dass die Wasserstände in naher Zukunft deutlich ansteigen werden. Obwohl es diese Woche hin und wieder regnen wird, sind laut ORF-Wetterabteilung keine größeren Mengen in Sicht. Auch die Grundwasserstände im Nordburgenland sind extrem niedrig, was auf geringe Niederschläge und landwirtschaftliche Bewässerung im Sommer zurückzuführen ist. Und die Wulka, der wichtigste Zufluss des Neusiedlersees, trägt seit Monaten mit nur 0,3 Kubikmetern pro Sekunde nur ein Drittel der durchschnittlichen Wassermenge in den See. Das jährliche Wasserstandsminimum wird meist im September und Oktober erreicht, im Winter steigt der Neusiedler See um durchschnittlich etwa 20 cm an. Sein Jahreshoch erreicht er dann Anfang April, bevor der See im Sommer durch steigende Temperaturen und Verdunstung wieder absinkt. Screenshot/wasser.bgld.gv.at Der Wasserstand im Jahr 2022 (blau) ist viel niedriger als die bisherigen Aufzeichnungen seit 1965
Der nächste Sommer könnte schwieriger werden
„In diesem Sommer ist die Linienschifffahrt mit einem blauen Auge davongekommen“, sagt Roman Drescher, Geschäftsführer der Reederei Drescher Line in Mörbisch. Der Wasserstand reichte noch aus, um alle Fahrten in seinem Unternehmen zu machen: „Aber es war nicht mehr viel Luft da.“ Dresser macht sich noch keine Sorgen darüber, wie das nächste Jahr aussehen wird, hofft aber auf starken Regen im Winter und Frühling. Wenn die Wasserstände im Winter nicht deutlich ansteigen, könnte der nächste Sommer noch schwieriger werden als in diesem Jahr, sagt Drescher. Ohne künstlichen Input wird es auf Dauer nicht mehr funktionieren. Gemeint ist die geplante Moson-Dunube-Versorgungsleitung aus Ungarn oder ein Anschluss an die Donau in Niederösterreich. Kurzfristig kann nur Regen helfen, das Ruder herumzureißen. 300 Liter Niederschlag pro Quadratmeter braucht der See, um das diesjährige Frühjahrsniveau zu erreichen – und das war ja bekanntlich schon sehr wenig. Normalerweise fallen von Dezember bis Anfang April nur etwa 150 Liter pro Quadratmeter in den Neusiedler See. Um den durchschnittlichen Wasserstand zu erreichen, brauchte es im Winter etwa 600 Liter Regen pro Quadratmeter – eine kaum vorstellbare Menge. ORF/Daniel Schrott Trockene Risse statt Wasser – der Zicksee ist immer noch trocken
Der Zicksee war noch trocken
Auch östlich des Neusiedler Sees im Seewinkel ist die Lage nicht gerade rosig – Wasser gibt es derzeit nur in sehr wenigen Seen. Der Zicksee, früher ein beliebter Badesee und in diesem Sommer völlig trocken, muss sich erst noch wieder bilden. Wo Wasser war, sind noch tiefe Trockenrisse im ehemaligen Schlamm, es sieht aus wie ein Pflastersteinbruch. In dieser unwirtlichen Mondlandschaft finden Sie allerlei Ausrüstungsgegenstände aus vergangenen Tagen: Ruder, Flossen und Anker sowie Abfälle von Badegästen wie Flaschen und Dosen. Doch die Natur ist im Begriff, den Zicksee zu erobern: Sie grünt, Pflanzen wachsen bereits alle paar Meter. Ob und inwieweit sich der See im Winter wieder bildet, hängt von den Niederschlägen ab. Sowohl am Zicksee als auch am Neusiedler See entscheiden Winter und Frühling über das Schicksal des darauffolgenden Sommers.