Kriminalstatistiken unterstützen diesen Trend: 2019 gab es noch 1.388 Vorladungen und 151 Verurteilungen nach dem Verbotsgesetz, 2021 waren es bereits 1.671 Vorladungen und 226 Verurteilungen. 2015 gab es nur 953 Anzeigen und 79 Verurteilungen. „Jede Form der Nazi-Verherrlichung ist ein unerträglicher Angriff auf unsere Demokratie und freiheitliche Gesellschaft“, sagte Zadic. „Mit der Reform schließen wir die noch bestehenden Lücken im Verbotsgesetz und verhelfen ihm zu mehr Wirksamkeit.“ Zu diesem Zweck wurde im Vorfeld eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Gerhard Baumgartner, Leiter des österreichischen Widerstandsdokumentationsarchivs, eingerichtet. Die Ergebnisse sind jetzt da.
Die übliche Strafe beträgt ein bis zehn Jahre
Generell wurde die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) nach Ende des Zweiten Weltkriegs gesetzlich verboten und die Entnazifizierung gesetzlich geregelt. Die Änderung von 1992 senkte die Mindeststrafe. Die heute übliche Strafe beträgt ein bis zehn Jahre. Unter anderem soll nun die inländische Zuständigkeit erweitert werden. Das bedeutet, dass zum Beispiel jemand, der relevante Inhalte von Spanien nach Österreich postet, ebenfalls strafrechtlich verfolgt wird. Zudem sollen NS-Erinnerungsstücke – etwa ein SS-Waffenring oder ein Hakenkreuzdolch – künftig leichter beschlagnahmt werden können: auch wenn es sich lediglich um Ihren Besitz handelt und nicht nur im Zusammenhang mit einer strafbaren Handlung. Als Reaktion auf „jede Verharmlosung des Nazi-Genozids“, wie Zadic es ausdrückte, solle es auch rechtliche Anpassungen des Gesetzes geben. Anlass war zum Beispiel das Tragen gelber, modifizierter Judensterne mit der Aufschrift „ungeimpft“ bei Anti-Corona-Demonstrationen oder Transparente mit der Aufschrift „Impfen macht frei“ in Anlehnung an „Arbeit macht frei“. Das Wort „grob“ soll nun aus dem Begriff „grobe Gemeinheit“ im Gesetzestext gestrichen werden. Ein weiteres Ziel sei es, die Verurteilungsrate wegen Verstößen gegen das Verbotsgesetz zu erhöhen, sagte er. Und: Wer verurteilt wird, verliert automatisch seinen Job im öffentlichen Dienst. Erst kürzlich sorgte ein Angehöriger der Bundeswehr für Aufregung, weil er trotz Posieren in SS-Uniform seinen Posten nicht verlor – das soll künftig nicht mehr vorkommen. Allerdings ist auch eine Lockerung vorgesehen. Auch Erwachsene sollen künftig nach einem Strafverfahren die Möglichkeit der Ablenkung statt Verurteilung haben. Eine Auseinandersetzung mit der Mauthausen-Situation kann z. B. Jugendlichen derzeit nur durch entsprechende Belehrung statt Bestrafung angeboten werden. Zadic (Linke) und Edtstadler betonten, Antisemitismus dürfe in Österreich keinen Platz haben. – © APAweb / Helmut Föhringer
Für Mittwoch geplante Vorstellung der Reform im Ministerrat
Der Bericht und die Pläne werden dem Kabinett am Mittwoch vorgelegt. Als nächstes möchten Sie mit der legitimen Anwendung beginnen. Gleichzeitig müsse die nationale Strategie gegen Antisemitismus fortgeführt werden, die jüdisches Leben in Österreich langfristig sichern und fördern werde, sagte Edtstadler. Diese wurde im Jänner 2021 eingeführt und zur Koordination das „Österreichisch-jüdische Kulturgutamt“ im Bundeskanzleramt geschaffen. Die SPÖ wolle abwarten, bis der Bericht mit einer abschließenden Bewertung vorgelegt werde, sagte er. Die Sprecherin der Erinnerungskultur, Sabine Schatz, äußerte sich im Vorfeld grundsätzlich positiv. Viele der angekündigten Maßnahmen könnten erhebliche Lücken bei der Verfolgung antisemitischer Straftaten schließen, sagte er in einer Aussendung. Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Oskar Deutsch bedankte sich bei den Ministern für die Initiative und auch die Mauthausen-Kommission erklärte, sie unterstütze die geplante Reform. Letztere erhoffen sich nun eine bessere Abstimmung von Themen wie dem Zeichengesetz und dem Zeichengesetz untereinander und mit dem Verbotsgesetz. „Es ist beispielsweise absurd, für die Verwendung von Symbolen der Muslimbruderschaft Bußgelder bis zu 10.000 Euro und für die Verwendung von Nazi-Symbolen Bußgelder bis zu 4.000 Euro zu verhängen“, sagte die Kommission. Strafrechtsexperte Michael Ramey sieht in der geplanten Ausweitung der Diversion auf Erwachsene “eine logische Weiterentwicklung”, sagt er im Gespräch mit der “Wiener Zeitung”. Die Herausforderung wird wahrscheinlich darin bestehen, wie dies konkret gestaltet wird, um sein Ziel zu erreichen.
Nach Wöginger-Initiative: EMRK „nicht verhandelbar“
Die Europäische Menschenrechtskonvention sei ohnehin “nicht verhandelbar”, sagte Edtstadler. Grund für die Klarstellung war, dass ÖVP-Klubobmann August Wöginger am Wochenende eine Überarbeitung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gefordert hatte, weil diese die aktuelle Flüchtlingssituation nicht mehr ungerechtfertigt habe. Edtstadler interpretierte Wöginger so, dass er eine europäische Verständigung im Asylbereich anstrebe. Ähnlichen Druck übt Österreich auf EU-Ebene aus: Österreich sei das einzige Land des Europarates, das die EMRK als Verfassungsorgan habe, verwies die Ministerin. Letzteres betonte auch Zadic – der Vertrag für die Grünen sei also nicht verhandelbar.