Die Tagesspiegel-App Aktuelle News, Hintergründe und Analysen direkt auf Ihr Smartphone. Plus die digitale Zeitung. Hier kostenlos herunterladen. Es ist ein zentrales Projekt des Ampelbündnisses und eine Herzensangelegenheit der Sozialdemokraten. Doch kommt das Bürgergeld, das das Hartz-IV-System ersetzen soll? Sicherlich nicht in der Form, die sich Arbeitsminister Heil wünschte. Und strategisch ist die Union derzeit in einer komfortableren Position.
Die aufschiebende Mehrheit ist stabil
Ihre Suspendierungsmehrheit im Bundesrat war am Montag stabil. Einige Landesregierungen, an denen die CDU beteiligt ist, etwa mit der SPD oder den Grünen, mussten die Zustimmung wegen des Vetos der CDU verweigern, zum Leidwesen ihrer jeweiligen Koalitionspartner. Die Bundesregierung wird am Montag den Vermittlungsausschuss einberufen. Das könnte frühestens fünf Werktage später sein, wobei Heil den kommenden Montag, Dienstag oder Mittwoch als mögliche Termine nennt. Die Ampelparteien hatten offenbar im Vorfeld versucht, die angestrebte Extrarunde dem Vermittlungsausschuss als kein weiteres Drama darzustellen. Auch in einigen Punkten sind sich die Parteien einig: Konsens besteht darüber, dass die Regelsätze erhöht werden sollten, und alle Seiten sehen es auch als sinnvoll an, sich stärker auf die berufliche Qualifikation zu konzentrieren. Die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD), bedauere sehr, dass dieses Kernprojekt in der öffentlichen Debatte aus dem Fokus geriet. Allerdings ist nicht ersichtlich, wie sich Regierung und Opposition einigen können. Denn bei den Streitpunkten geht es nicht nur um einen Vermögensüberschuss hier oder ein paar Sanktionen dort, sondern um grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten und auch um die Frage, was Fakten und was Meinungen sind. Manuela Schwesig hat am Montag vor dem Bundesrat gesprochen. © AFP / Foto: AFP/John MacDougall Schwesig verwies in ihrer Rede an den Bundesrat darauf, dass das Grundeinkommen nicht gegen das Lohnabstandsgebot verstoße. Florian Herrmann (CSU), Bayerns Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten, konterte umgehend: „Die Forderung nach der Lohnlücke wird ohne nachvollziehbaren Grund aufgegeben, das ist ungerecht.“ Auch in der Frage der Sanktionsfreiheit sind die Ansätze grundlegend unterschiedlich. „Es ist nicht so, dass sich Tausende von Menschen melden“, sagte Schwesig. Sie erwähnte, dass sie als Teenager selbst miterlebt habe, wie ihr Vater nach der Wende arbeitslos wurde. “Das ist deprimierend für die betroffenen Menschen und ihre Kinder.” Es ist nicht so, dass Tausende von Menschen ihre Hände heben. Manuela Schweig Brandenburgs Finanzminister Jörg Steinbach (SPD) sagte, die Sanktionen würden die Menschen nicht motivieren. Für eine gleichberechtigte Zusammenarbeit zwischen Betroffenen und Arbeitsplatz ist ein Vertrauensvorschuss nötig. Streit um Prestigeprojekt der Ampelkoalition Ist das Einkommen der Bürger ungerecht? Die Gegenposition vertrat die grün-schwarze baden-württembergische Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU). „Besonders Menschen, die auf dem Arbeitsmarkt zu kämpfen haben, werden in Ruhe gelassen, wenn sie frei sind, sich zu engagieren“, sagte er. Leitplanken und klare Grenzen sind notwendig, auch aus Gründen der Akzeptanz. Auch wenn nur 3 Prozent der Versetzungsempfänger von dem System Gebrauch machten: “Es reicht aus, im Einzelfall die Atmosphäre zu vergiften.” Ihr Ziel als Ministerin ist es nicht, Reformen zu verhindern. Aber er will es verbessern, denn das Einkommen der Bürger in Deutschland werde in den kommenden Jahren eine “große, entscheidende Rolle” spielen. Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU), Ministerin für Finanzen, Arbeit und Tourismus des Landes Baden-Württemberg, am Rednerpult im Bundesrat. © dpa / Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka Auch beim Thema Schutzmaßnahmen sind die Unterschiede groß: „Völlig übertrieben“, sagte Bayerns Minister Hermann. Benjamin-Immanuel Hoff (Linke), Staatskanzleramtschef und Bundesminister in Thüringen, stellte fest: Wer sagt, man solle sich privat um sein Alter kümmern, könne nicht sagen, dass sein Vermögen angegriffen werden soll. Einzelfälle reichen aus, um die Atmosphäre zu vergiften. Nicole Hoffmeister-Kraut Er sprach darüber, dass es in Ostdeutschland viele Menschen gebe, die hart arbeiteten, aber trotzdem ihre Transferzahlungen leisten müssten. Für diese Menschen ist das Bild des ehrlichen Arbeitnehmers, der sich vom Grundeinkommen vernachlässigt fühlt, unverständlich. Hoff machte auch deutlich, dass sich die Ampel nicht nur mit der Union einigen muss, sondern dass es am anderen Ende des politischen Spektrums zu Komplikationen kommt. Auch die Linkspartei habe Forderungen, wenn das vorliegende Paket im Vermittlungsausschuss noch einmal entfaltet werden solle. Bestellen Sie den kostenlosen Newsletter Rundum-Informationen mit der Tagesspiegel-Lage morgens und abends Hoff machte mehrere Punkte geltend und hinterfragte zum Beispiel, ob der vorgesehene Regelsatz armutssicher sei. Er kündigte zudem an, erneut darüber diskutieren zu wollen, ob Weiße Ware wie Kühlschränke und Waschmaschinen künftig einmalig aus dem Arbeitsplatz finanziert werden sollen. Die Ampel muss daher auch die Länder überwachen, in denen die Partei der Linken regiert. Neben Thüringen sind dies Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen. Rein rechnerisch würden die Stimmen dieser vier Länder keine Rolle spielen, wenn alle anderen zustimmen würden. Franziska Giffey (SPD), Manuela Schwesig und Bremens Oberbürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) werden den Bürgern im Bundesrat kaum Einkommen vorenthalten wollen, ebenso wenig wie die anderen Ampelparteien in diesen vier Ländern. Nur eine Minderheit: Das Ja zum Bürgergeld war im Bundesrat am 14.11. sehr wenig. © REUTERS / Foto: Reuters/Michele Tantussi Der Druck ist hoch und die Zeit knapp, auch weil zum Jahresende einige pandemiebedingte Sonderregelungen auslaufen, die das Bürgereinkünftegesetz zur neuen Normalität machen soll. „Meine Hand ist ausgestreckt, um das zu lösen“, sagte Minister Hale. Das Gesetz muss bis Ende November verabschiedet werden, damit die Jobcenter die Umsetzung im Januar vorbereiten können. Omid Nuripour, Chef der Grünen, warnte am Montag, dass die Pläne nach dem Nein des Bundesrates scheitern könnten. „Es ist möglich, dass das Einkommen des Bürgers im Vermittlungsausschuss zum Schweigen gebracht wird“, sagte er. „Es besteht die Möglichkeit, dass die Union vollständig blockiert ist und sich nur darauf verlässt, dass Hearts IV so bleibt, wie es ist.“ Wir stehen nicht unter Druck, diese Reform im Galopp durch das Parlament zu jagen. Mario Czaja Die CDU will sich nicht unter Zeitdruck setzen. „Wir haben keinen Druck, diese Reform im Galopp durchs Parlament zu bringen“, sagte Generalsekretär Mario Czaja dem ZDF. Er betonte auf Twitter: „Unsere Hand bleibt ausgestreckt.“ Die Bayern haben am Dienstag klare rote Linien gezogen. Die bayerische Sozial- und Arbeitsministerin Ulrike Scharf (CSU) nannte nach einer Kabinettssitzung in München drei Punkte, die das Einkommen der Bürger „für uns inakzeptabel“ machen. „Dass es so gut wie keine Sanktionen gibt, ist inakzeptabel“, sagte Scharf.
Die FDP ist kompromissbereit
Die FDP sendet derweil Kompromisssignale an die Union. “Es nützt nichts, wenn alle oben im Baum bleiben”, sagte FDP-Fraktionschef Christian Dier am Dienstag den Zeitungen der Mediengruppe Funke. Doch die Union verbreite “Märchen, wenn sie die ersten sechs Monate als straffreie Zeit darstellt”. Lediglich bestimmte Sanktionsoptionen sollten eliminiert werden, die zu Beginn der Petition ohnehin irrelevant gewesen wären. Ziel ist es, Bürokratie abzubauen. „Aber wenn die Union dieses Symbol braucht, bin ich offen dafür, die Sanktionsoptionen beizubehalten.“ Dürr schloss jedoch aus, nur die aktuellen Hartz-IV-Satzbeträge zu erhöhen, wie es die Gewerkschaftsspitze gefordert hatte. „Wenn wir nur die Normalsätze erhöhen, wie es die Union will, verringern wir den Anreiz zur Arbeitsaufnahme“, sagte der FDP-Politiker. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte zu Beginn gegenüber RTL/ntv: „Wenn die Union glaubt, dass es Möglichkeiten gibt, die Sanktionen zu verschärfen, um dieses System des Bürgergeldes effektiver zu machen, dann sind wir sehr gerne mit Union dabei Sprechen Sie über diese Frage.“ Auch Zusatzverdienstmöglichkeiten und weiterführende Qualifizierungsmaßnahmen können verhandelt werden. Es gebe “große Überschneidungen” mit der Union. Die FDP hat den ersten Entwurf von SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil bereits nachgeschärft.
Mehr zum Bürgergeld
“Die Welt vor dem 24. Februar existiert nicht mehr” So nagelte SPD-Chef Klingbeil die Kanzlerpartei für einen Streit um den Prestigeplan der Ampelkoalition fest. Ist das Einkommen des Bürgers ungerecht? Interview mit dem Minister für Arbeit und Soziales Herr Heil, haben Sie Angst vor einem Weltkrieg? Der Bundesrat tagt erneut am 25. November. Hales Ziel ist es, dass sich bis dahin alle Seiten einig sind. Er bitte um das Wohlwollen aller Beteiligten, sagte er in seiner Rede vor dem Bundesrat. Realistischer formulierte es Minister Hoff aus Thüringen nach dem Treffen. Vor den Türen des Konferenzraums zitierte er ein Bonmot aus einem Calvin-und-Hobbes-Comic: “Ein guter Kompromiss ist, wenn alle Seiten wütend sind.” Das sollte zumindest beim Bürgereinkommen leicht zu erreichen sein…