Dabei gehe es Wögingers Kollegen zufolge weniger um „den Text der EMRK von 1950“, als vielmehr um „die fortgesetzte Weiterinterpretation durch den Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg“, die „als eine sich verselbstständigende Rechtsprechung“ gesehen werde. . “Das wirft die Frage nach der demokratischen Legitimität auf.”

Drexler kritisiert „Asylpraxis“

Drexler bezeichnete den EGMR als „großartige Antwort auf die grausamen Verbrechen des nationalsozialistischen Unrechtsregimes und des Zweiten Weltkriegs“. Gleichzeitig sagte er: „Niemand hätte sich träumen lassen, wie es heute interpretiert wird. Man müsste herausfinden, was in einer modernen Version des Textes enthalten wäre.“ Laut Drexler ist eine Diskussion über ein mögliches „Recode“ legitim. Insbesondere verwies er auf das Asylrecht, das eine der “herausragendsten Errungenschaften” sei. Aber: „Die Asylpraxis, die wir heute erleben, ist eine echte Perversion der ursprünglichen Asylidee. Hier muss es rechtliche Antworten geben“, sagte Drexler. Die Realität, die mit dem Grundgedanken des Asylrechts nicht vereinbar ist, muss ein Ende haben.

Der ÖVP-Klub ist zugeknöpft

Am Wochenende forderte Wöginger eine Überarbeitung der EMRK. Welche Änderungen der ÖVP-Klubpräsident im Sinn hatte, war bis zuletzt unklar. Noch heute knöpft sich der Nationalratsklub der Volkspartei ORF.at vor. Wöginger hat sich bisher nicht zu seiner Aussage geäußert. Dagegen meldete sich kürzlich Bundespräsident Alexander Van der Bellen via Twitter zu Wort. Laut Van der Bellen entstand die EMRK aus dem „endlosen Leiden des Zweiten Weltkriegs und der Shoah“. Es ist eine große Errungenschaft der Menschheit, ein Kompass für die Menschheit und Teil des Grundkonsenses unserer Demokratie. Sie herauszufordern, löst kein Problem, „aber es erschüttert die Fundamente, auf denen unsere Demokratie ruht. Solche vermeintlich einfachen Lösungen sind der falsche Weg. Wir sollten mit unseren Werten vorsichtig sein“, sagte der Bundespräsident.

“Nicht verhandelbar”

Auf Nachfrage von ORF.at hatte der Koalitionspartner die Grünen Wögingers Aussage bereits am Wochenende widersprochen. Nun bestätigte dies auch Justizministerin Alma Zadic (Grüne) in einer Pressekonferenz. Die EMRK ist für die Grünen nicht verhandelbar. Dasselbe sagte auch Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP). Er interpretierte Wöginger so, dass er eine europäische Verständigung im Asylbereich anstrebe. Auf EU-Ebene wird von Österreich ein ähnlicher Druck ausgeübt: Die EMRK sei ein „lebendiges Instrument“, das immer wieder neu interpretiert werden müsse. Er wies aber auch darauf hin, dass Österreich als einziges Land des Europarates die EMRK als Verfassungsorgan habe.

SPÖ sieht “rote Linie überschritten”

Die SPÖ wurde scharf kritisiert. „Für die ÖVP geht es immer bergab und jedes Mal, wenn es schief geht und die Nervosität groß ist, versuchen sie, mit den Themen Asyl und Zuwanderung als Ablenkungsmanöver zu reüssieren“, sagte Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch. NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger wertete Wögingers Fortschritte als “Ablenkung vom eigenen Versagen” in der Einwanderungspolitik. Die „Blender“ der letzten Jahre sollen nun sehen, dass die vermeintlich gesperrten Einwanderungsstraßen „offen“ sind. Es braucht europäische Lösungen, die die ÖVP aber seit Jahren “torpediert”.

Scharfe Kritik an Caritas

Caritas-Präsident Michael Landau hatte Wögingers Schritt zuvor scharf kritisiert. „Ich finde die Erschütterung der Grund- und Menschenrechte inakzeptabel“, sagte Landau. Mehr dazu auf fetare.ORF.at