Erschöpfung, Muskelschmerzen oder Atemnot: Symptome, die auch noch lange nach einer Ansteckung mit dem Coronavirus auftreten können. Wer ist besonders betroffen und welche Behandlungen helfen gegen Long Covid?
Wie viele Menschen sind betroffen?
Unter Long Covid versteht man im Allgemeinen Symptome, die länger als vier Wochen nach einer Ansteckung mit dem Coronavirus anhalten oder wiederkehren. Wenn diese Symptome länger als drei Monate auftreten und mindestens zwei Monate andauern, handelt es sich laut WHO um Post-Covid.
Über die Zahl der aktuell von Long Covid betroffenen Menschen gibt es noch immer ungenaue Angaben – auch weil sich viele Zahlen in Studien auf ältere Varianten des Virus beziehen. Denn wie oft Spätfolgen auftreten, ist je nach Virusvariante unterschiedlich. Ein Forschungsteam aus Seattle hat 54 Studien mit Daten aus den Jahren 2020 und 2021 ausgewertet. Demnach litten etwa sechs Prozent der Patienten drei Monate nach der Infektion noch unter mindestens einem Symptom. Nach einem Jahr sank dieser Prozentsatz auf 1 Prozent.
Lungenspezialist Jördis Frommhold, der in Rostock das erste „Institut LongCovid“ Deutschlands gründete, schätzt, dass derzeit mindestens 500.000 bis eine Million Menschen in Deutschland von Long Covid betroffen sind. Die Omicron-Variante hat im Vergleich zu Delta weniger Fälle von Long Covid. Denn auch die Schwere der Erkrankung hat einen Einfluss darauf, wie wahrscheinlich es ist, dass man an Long Covid erkrankt. Das Risiko sei bei Omikron reduziert, aber in absoluten Zahlen seien immer noch viele Menschen von Long Covid betroffen, erklärt Frommhold.
Wer ist betroffen?
Laut einer neuen Studie des Universitätsklinikums Dresden kann langes Covid in allen Altersgruppen auftreten. Frauen haben ein höheres Risiko, nach einer Infektion mit Covid-19 Long Covid zu entwickeln. Laut einer US-Studie vom Oktober 2022 machten Frauen in den ersten zwei Jahren der Pandemie 63 % der an Long Covid Erkrankten aus. Frauen ab 20 Jahren erkrankten außerdem doppelt so häufig wie Männer an Long Covid.
Weitere Risikofaktoren für eine langfristige Covid-Erkrankung können Übergewicht und verschiedene Autoimmun- oder Vorerkrankungen wie Diabetes oder Asthma sein.
Wie sieht das Krankheitsbild aus?
Es gibt kein einheitliches Krankheitsbild, was die Diagnose noch erschwert. Das Krankheitsbild Long Covid fasst mittlerweile bis zu 200 Symptome zusammen, die länger als vier Wochen nach einer Coronavirus-Erkrankung anhalten oder erst Wochen nach einer Infektion auftreten können.
Zu den häufigsten Beschwerden gehören Müdigkeit, Geschmacksverlust, Atemnot, Erschöpfung und verminderte Leistungsfähigkeit (Müdigkeit) sowie Konzentrations- und Gedächtnisprobleme, Schlafstörungen, Muskelschwäche und Schmerzen. Langfristige Covid-Symptome hielten einer Studie zufolge bei Menschen, die wegen einer Coronavirus-Infektion ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten, im Schnitt neun Monate an, bei nicht hospitalisierten Infizierten nur vier Monate. Nach einem Jahr zeigten die meisten jedoch einen deutlichen Rückgang der Symptome.
Was ist das Erschöpfungssyndrom?
Müdigkeit und verminderte Ausdauer gehören zu den häufigsten Symptomen von Langzeit-Covid. Chronisches Erschöpfungssyndrom kann als Krankheitsbild nach verschiedenen Infektionskrankheiten auftreten und wird in der Fachsprache ME/CFS genannt, was für myalgische Enzephalomyelitis/chronisches Erschöpfungssyndrom steht. In Deutschland sind schätzungsweise 250.000 Menschen von ME/CFS betroffen. Laut der Studie des Universitätsklinikums Dresden ist das Risiko für ein Erschöpfungssyndrom nach einer Coronavirus-Infektion mehr als verdoppelt.
Ähnlich wie bei Long Covid treten bei ME/CFS viele verschiedene Symptome auf, deren Schweregrad von Patient zu Patient unterschiedlich ist. Ein charakteristisches Symptom ist die sogenannte Post-Exercise-Malaise (PEM). Bereits nach leichter körperlicher oder geistiger Anstrengung verschlimmern sich die entsprechenden Symptome.
Eine Studie der Charité hat gezeigt, dass Betroffene von Long Covid auch die Kriterien für ME/CFS erfüllen können. Bisher gibt es keine belastbaren Daten darüber, wie viele Menschen dieses Krankheitsbild nach einer Ansteckung mit dem Coronavirus entwickeln. Laut Carmen Scheibenbogen, Leiterin der Immunschwäche-Ambulanz an der Charité in Berlin, gehen konservative Schätzungen davon aus, dass zehn bis 20 Prozent aller Post-Covid-Patienten – also Betroffene, bei denen länger als drei Monate anhaltende Covid-Symptome anhalten – an ME/CFS gelitten haben. Das Risiko für Kinder und Jugendliche, nach einer Covid-19-Infektion unter Symptomen des chronischen Erschöpfungssyndroms zu leiden, wird als eher gering eingeschätzt.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Bisher gibt es noch keine Behandlung, die die Ursache von Long Covid angeht. Laut Long-Covid-Expertin Jördis Frommhold wird es aufgrund der sehr unterschiedlichen Krankheitsverläufe und Symptome künftig keine einheitliche Behandlungsform geben.
Die Behandlung muss individuell an die Beschwerden des Erkrankten angepasst werden. Atemtherapie wird zum Beispiel bei Atemnot eingesetzt, Krankengymnastik zum Aufbau von Kraft und Ausdauer, Logopädie bei Patienten mit Sprach- und Schluckbeschwerden. Die Ergotherapie eignet sich zur Verbesserung der Wahrnehmung in Händen und Armen.
Während eine vorsichtige Erhöhung des Aktivitätsniveaus einigen Betroffenen helfen kann, gilt das Gegenteil für diejenigen mit einer langfristigen Intoleranz gegenüber dem Coronavirus und Bewegung. Hier kann die sogenannte Pacing-Strategie zum Einsatz kommen, bei der Betroffene es locker angehen und ihre Kräfte richtig einsetzen, indem sie auf ihren Körper hören.
Gibt es Long Covid bei Kindern?
Kinder und Jugendliche haben ein geringeres Risiko als Erwachsene, sich langfristig mit Covid zu infizieren, und erholen sich in der Regel schneller. Allerdings gibt es auch Fälle, in denen die Symptome jahrelang anhalten, warnt Kardiologe Daniel Vilser, Leiter der Long-Covid-Ambulanz für Kinder und Jugendliche in Jena. Die Zahlen in Studien variieren zwischen 1 und 14 Prozent der von Long Covid betroffenen Kinder. In diesem Zusammenhang betont Wilshere jedoch, dass die meisten…