19.06.2022, 17:55 Uhr

Nach anhaltenden Kontroversen und Wahlversagen hofft die AfD auf ruhiges Fahrwasser mit einem neu gewählten Vorsitzenden. Aber das Gegenteil passiert. Über eine Europa-Resolution, die Russlands Krieg in der Ukraine verschleiert, streiten Abgeordnete so heftig, dass der Parteitag abrupt endet. Die AfD hat den Bundesparteitag nach einer hitzigen Debatte über einen Europabeschluss vorzeitig beendet. Am späten Nachmittag stimmten im sächsischen Riesa 55,65 Prozent der Delegierten für den Abriss, 44,35 Prozent waren dagegen. Der Anführer des Komplexes Tino Chrupala sprach von einem “sehr umstrittenen Tag”. Er hoffe aber, dass die AfD nach der Wiederwahl ihres Vorsitzenden ein “Aufbruchsignal” nach außen senden könne. Auslöser der Kontroverse war eine EU-kritische Resolution mit dem Titel „Reviewing Europe“. Besonders kritisch wurde von Vertretern aus dem Westen kritisiert, dass die Resolution eine Annäherung an Russland forderte, ohne den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine zu erwähnen. Die Vorlage bezog sich nur auf den „Konflikt in der Ukraine“. AfD-Rechtsaußen Björn Höcke warb für den Text. Die am Vortag gewählte Doppelspitze Alice Weidel und Chrupalla unterstützte gegen den Widerstand vieler Delegierter die Nicht-Verabschiedung in der jetzigen Form. Chrupallas Antrag wurde jedoch mit 210 zu 208 Stimmen abgelehnt. Der Bundestagsabgeordnete Kay Gottschalk kritisierte, die neue Doppelspitze werde bereits einen Tag nach ihrer Wahl „aufgelöst“.

“Die Debatte hinterlässt Spuren”

Die Hoffnungen vieler Parteianhänger auf eine Konsolidierung der AfD nach langem internen Streit erfüllten sich auf dem Parteitag nicht.  Während der zweistündigen, hitzigen Debatte konnte die Parteispitze ihren Vorschlag erst nach mehreren erfolglosen Versuchen, den Gesetzentwurf zur weiteren Beratung an den Bundesvorstand zu verweisen, voranbringen.  Chrupalla sprach von einer “wirren Lage”.  Auf der Bühne des Parteitags wurde er von den Vorsitzenden von fünf Landesverbänden, Weidel und dem Ehrenvorsitzenden der AfD, Alexander Gauland, demonstrativ unterstützt: Sie stellten sich hinter Chrupalla, als er sich für einen Wechsel in den Bundesvorstand einsetzte.

Viele Delegierte drückten in ihren Reden ihre Frustration über den Verlauf der Debatte aus. “Wir schämen uns jede Minute”, sagte ein Sprecher. Ein anderer sagte: „Es lässt uns vor den Medien, dem Wähler und vor uns selbst lächerlich aussehen.“ Ein anderer äußerte die Angst, „den Weg der Auflösung zu gehen“. Mehrere Vertreter bezeichneten den Verlauf der Debatte als “Farce”. Einer der Verfasser des Europa-Vorschlags gab zu, dass die Debatte eine „Wunde“ in der Partei hinterlassen habe. Angesichts der herzlichen Atmosphäre im Raum warnte der Versammlungsleiter die Delegierten: „Bitte schreien Sie sich nicht an“. Weidel sagte in ihrer Rede, dass die Entschließung mit dem Titel „Reviewing Europe“ insgesamt ein Schritt in die richtige Richtung sei, die Sprache aber „nicht sehr gelungen“ sei. Der Text enthalte „sehr vage Sätze, die zu sperrig klingen“.