Das Verfahren blieb an der “unteren Schwelle” für einen Wettbewerb um 100.000 Euro, aber es waren auch Konkurrenten im Rennen. In jedem Fall erwies sich die Firma Karmasin als bester und billigster Bieter. Dass das Leitbild am Ende mehr als 125.000 Euro gekostet habe, begründete er mit dem zweijährigen Prozess, der durch das Ende der türkis-blauen Koalition unterbrochen und durch die Corona-Krise erschwert wurde. Auf die Frage nach dem Ausgang blieb Esterl unklar. Der Erfolg eines Leitbildprozesses liegt darin, dass er Mitarbeiter „partizipativ“ begleitet. Das Ergebnis war zum Beispiel, dass dadurch die Zusammenarbeit zwischen den Einheiten verbessert wurde. In jedem Fall haben sie es geschafft, trotz Hindernissen, die wir uns kaum vorstellen können.“ SPÖ-Fraktionschef Jan Krainer konfrontierte Esterl mit Anfragen, die Fragen enthielten, die ursprünglich nichts mit dem Finanzministerium zu tun hatten, aber dennoch von diesem in Auftrag gegeben wurden. So hatte das Ministerium Anfragen zu Themen, die dem Ministerium auf den ersten Blick fremd erschienen, wie Steuer- und Finanzpolitik, Sozialsystem, Innere Sicherheit, aber auch das Abschneiden der Opposition kurz vor der Wiener Wahl 2020. Mit den Besten Testamente der Welt, er könne sich nicht an alle Fragen erinnern und nehme nicht an ihnen teil, sagte Esterl. Aber wenn es um den Wirtschaftsstandort Österreich geht, sind viele Themen wichtig, so die Argumentation weiter. Der frühere Medienchef von Altfinanzkanzler Sebastian Kurz, Gerald Fleischmann, traf sich regelmäßig mit allen anderen Bundeskanzlern im Bundeskanzleramt. Auch mit Kurz’ Berater Stefan Steiner stand er in Kontakt. Dabei ging es häufig um die strategische Ausrichtung von Politikbereichen. Ob die Umfragen auch ein Thema waren, weiß er nicht mehr. Auch das kurz darauf gescheiterte Projekt „Kaufhaus Österreich“, eine Online-Shopping-Plattform der Wirtschaftskammer und des Ministeriums, wurde von den Abgeordneten diskutiert. Angesichts der Coronavirus-Pandemie sei die Idee einer E-Commerce-Plattform zur Unterstützung lokaler Unternehmen gesucht worden, erklärte Esterl, der einräumte, dass Fehler aufgetreten seien, beispielsweise die Suchfunktion nicht funktioniert habe. Die Plattform kostete 1,2 Millionen Euro. Dafür wurden nach SPÖ-Schätzungen 1,8 Millionen Euro gezahlt. Er habe laut Esterl keine Ideen, die sich, wie heute so oft, auf die „zuständige Organisationseinheit“ bezögen. Nach etwa fünf Stunden war die Recherche abgeschlossen. Am Abend gab der damalige stellvertretende Ministerpräsident von Schramböck, Paul Rockenbauer, Auskunft. Zu den vom Finanzministerium in Auftrag gegebenen Anfragen verneinte er kategorisch, dass hier – etwa beim Beinschab-Tool und den Verfahren im Finanzministerium – die Ergebnisse anderen, etwa dem ÖVP-Klub, zugute kommen könnten. Er weigerte sich auch, „außerdienstliche“ Fragen zu stellen. Rockenbauer bestätigte im Wesentlichen die Aussagen des ehemaligen Generalsekretärs Esterl, der in der Vergangenheit befragt worden war. Am „Leitbild“-Prozess war er nicht direkt beteiligt. Allerdings handelte es sich um einen „Live-Prozess“, der sich nicht auf die Seitenausgabe beschränken konnte. An eine Online-Umfrage zur Bewertung der Farben von Laptoptaschen kann er sich nicht erinnern. Er könne aber nicht ausschließen, dass es sich um eine interne Untersuchung handele. Wie weit die Interne Revision mit der Aufgabe des „Leitbildes“ gekommen ist, weiß er nicht. Beim Projekt „Kaufhaus Österreich“ wiederum hat er nicht wirklich mitgemacht. Die Suche war kurz nach 21 Uhr abgeschlossen. Weiter geht es morgen Donnerstag. Unter anderem wird die ehemalige Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) Fragen der Abgeordneten beantworten.