Bei Tätigkeiten mit geringer körperlicher Belastung – etwa Bürotätigkeiten – und einer maximalen Windgeschwindigkeit von 0,10 Meter pro Sekunde (m/s) sollten es laut Verordnung zwischen 19 und 25 Grad Celsius sein. Bei normaler körperlicher Aktivität und einer maximalen Windgeschwindigkeit von 0,20 m/s sind Temperaturen zwischen 18 und 24 Grad erlaubt. Ein Beispiel hierfür sind permanente Verkaufsaktivitäten. Bei intensiver Körperarbeit und einer Windgeschwindigkeit von 0,35 m/s gilt eine Mindesttemperatur von zwölf Grad. Dies wäre zum Beispiel bei Lageroperationen der Fall. Grafik: ORF.at; Quelle: BMAW

„Arbeitgeber haben eine Fürsorgepflicht“

Daher ist eine Erwärmung auf ein gesetzlich vorgeschriebenes Minimum unerlässlich. Denn: „Arbeitgeber haben eine Fürsorgepflicht für ihre Mitarbeiter“, sagt Rechtsanwalt Raphael Schanda von der auf Arbeitsrecht spezialisierten Kanzlei Körber-Risak gegenüber ORF.at. „Wenn man Leute ins Büro bringt, muss man ihnen warm machen.“ Bei Konflikten mit dem Arbeitgeber ist jeder Betriebsrat die erste Anlaufstelle. Die Einhaltung der unteren zulässigen Grenzwerte hat jedoch bereits jetzt das Potenzial, in den kommenden Monaten zu kollidieren. Bisher war in den Wintermonaten recht gut zu heizen, zum Beispiel in den Büroräumen waren „gute Temperaturen“ um die 22 Grad die Regel. Die eigentliche Herausforderung wird wohl darin bestehen, das Bewusstsein für die Notwendigkeit des Energiesparens zu schärfen. Das könnte ein Balanceakt sein.

Beschwerden schon

Angesichts des Ukrainekriegs und seiner Folgen für die Energieversorgung fordert die Regierung seit Monaten Energieeinsparungen, Ministerin Leonore Gewessler (Grüne) plädiert für rund 19 Grad in öffentlichen Gebäuden. Dies wurde auch vor dem Magistrate of Leeds ausgeübt. Nach Beschwerden aus der Belegschaft – in manchen Ämtern waren es nur 16 statt der angepeilten 19 Punkte – kam man wieder auf 21 Punkte – mehr dazu auf ooe.ORF.at. öffentliche Diskussion

Heizung am Arbeitsplatz: Wie kalt ist zu kalt?

Die Unterschreitung der gesetzlich vorgeschriebenen Temperatur hat bereits in anderen Bereichen für Schlagzeilen gesorgt. Anfang Oktober berichtete die Gewerkschaft GPA in Kärnten, die Handelsunternehmen hätten angekündigt, die Temperatur auf 16 Grad zu senken – was sehr cool wäre. Etwa 2.000 Menschen sind betroffen. Die Unternehmen riskierten “wegen niedrigerer Heizkosten die Gesundheit ihrer Mitarbeiter”, kritisierte Wirtschaftsminister Günther Granegger.

Höheres Risiko für klassische Erkrankungen durch Krankschreibungen

Dr. Richard Cravenna, Leiter der Universitätsklinik für Physikalische Medizin, Rehabilitation und Arbeitsmedizin an der Medizinischen Universität Wien, weist gegenüber ORF.at darauf hin, dass die Gesundheit der Beschäftigten eng mit den klimatischen Bedingungen am Arbeitsplatz zusammenhängt. „Extrem kalte Temperaturen können die Leistung mindern, zu Unwohlsein, potenziellen Gesundheitsrisiken und einem erhöhten Unfallrisiko führen“, sagt Cravenna. Erkältungen oder Infektionen der Atemwege sowie Beschwerden des Bewegungsapparates wie Rückenschmerzen, Gelenkschmerzen, Muskelschmerzen und rheumatische Erkrankungen können laut Crevenna durch sehr kalte Raumtemperaturen verursacht werden. In unseren Breitengraden sind solche Situationen bereits heute die häufigste Ursache für Krankschreibungen und Arbeitsausfälle. Getty Images/Shinyfamily Mit Jacke und Schal im Büro: Ein durchaus vernünftiger Anblick in den kommenden Monaten Auch Angst- und Stresserkrankungen, Bluthochdruck und Erkrankungen wie das Raynaud-Syndrom („Weißfingerkrankheit“) können laut Betriebsmediziner häufiger auftreten. Letzteres äußert sich durch Farbveränderungen an kalten, empfindlichen und schmerzenden Fingern und kann durch Kälte und emotionalen Stress begünstigt werden. Frauen sind hiervon besonders betroffen. Auch eine dänische Studie aus dem vergangenen Jahr kam zu dem Schluss, dass eine Raumtemperatur unter 18 Grad im Winter in gemäßigten oder kalten Klimaregionen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und (chronische) Atemwegserkrankungen erhöht. Auf jeden Fall sollte sichergestellt werden, dass bereits gesundheitlich eingeschränkte Menschen in einer ausreichend beheizten Umgebung arbeiten können.

Die Leistung leidet – besonders bei Frauen

Nicht nur die Gesundheit, sondern auch die Leistungsfähigkeit kann unter sehr niedrigen Temperaturen leiden. Die optimale Mindesttemperatur für Büroarbeiten und feinmotorische Tätigkeiten liegt laut Crevenna bei etwa 20 Grad, also ein Grad über dem zulässigen Minimum. Österreich

„Komfort“ in den Zimmern messbar

Es scheint auch stark vom Geschlecht abzuhängen. Was sich im Arbeitsalltag leicht beobachten lässt – nämlich dass Frauen eine höhere Temperatur am Arbeitsplatz bevorzugen – wird auch zunehmend von der Forschung erkannt. Da Frauen im Durchschnitt schneller frieren, typischerweise weniger Muskeln haben, um Körperwärme zu erzeugen, spielen auch die Hautdicke und die Durchblutung eine Rolle.

Mit jedem Grad besser

Deshalb bevorzugen Frauen generell nicht nur höhere Raumtemperaturen, sondern sind auch leistungsfähiger. Das zeigte 2019 ein Experiment eines Forscherteams aus Berlin und den USA, in dem ihnen Rechen- und Sprachaufgaben gestellt wurden. Während die männlichen Teilnehmer ihre Höchstleistung bei 20 Grad Raumtemperatur erreichten, schnitten die weiblichen Testpersonen bei jedem Grad messbar besser ab. In Bestform waren es zwischen 30 und 33 Grad. Die Leistungen der Männer hingegen wurden mit steigenden Temperaturen schwächer.

Individuelle Bedürfnisse

Crevenna betont aber auch, dass die optimale Arbeitstemperatur eine höchst individuelle Angelegenheit ist und auch von anderen klimatischen Faktoren des Raumes abhängt. Angenehm warm zu sein bedeutet nicht unbedingt, dass Sie in höchstem Maße wach und konzentriert sind. In jedem Fall gehört die richtige Arbeitstemperatur zu einer ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung, die wiederum langfristig zur Zufriedenheit, Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten beitragen kann.

Das Homeoffice als neue Frage

Spannende Fragen zum Arbeitsrecht gäbe es jedenfalls noch, so Schanda. Ein neues Problem ergibt sich zum Beispiel beim Arbeiten von zu Hause aus. Hier stellt sich zum Beispiel die Frage, ob Homeoffice-Mitarbeiter bei zu kalten Temperaturen und steigenden Energiekosten Verträge stornieren und ins Büro zurückkehren könnten. Das ist in manchen Konstellationsfällen durchaus nachvollziehbar – letztlich zählt im Arbeitsrecht aber immer der Einzelfall. In jedem Fall bleibt das Thema auf der Tagesordnung.