Bei den Besuchen seien die Übergriffe aufgefallen, der Mann habe sich immer einige Tage dort aufgehalten. Das betroffene Land, das aus Gründen des Kinderschutzes keine Namen der SOS-Kinderdörfer nennen wollte, teilte daraufhin mit, dass der Besuch des Spenders nicht mehr erwünscht sei. Der Mann, der über den Besuchsstopp nicht erfreut war, beschwerte sich daraufhin bei der Organisation. Weitere Spenden kamen von seiner Seite nicht, aber die Entwicklung des Dorfes war zu diesem Zeitpunkt bereits vollständig finanziert. Laut Hauser gab der Staat daraufhin einen Bericht in Auftrag, um diese Vorwürfe zu untersuchen. “Und diese wurden uns erst 2021 zur Kenntnis gebracht.”
“Wir haben es nicht hinterfragt”
Hauser erklärte, warum die Organisation 2014 nicht hinterfragte, warum das Land die Besuche des Österreichers nicht mehr wolle: „Uns war damals nicht klar, was die Vorwürfe waren. Das haben wir sehr respektiert.“ Auf die Frage, ob jemand die schweren Vorwürfe erraten könne, sagte er: „Genau das fragen wir uns jetzt. Das haben wir berücksichtigt und zu 100 Prozent respektiert, die Entscheidung des Landes. Und da sahen wir auch die Verantwortung, die entsprechenden Schlüsse zu ziehen. Wir haben diese Entscheidung nicht in Frage gestellt.” Hauser weiter: „Jetzt wollen wir wissen, was unsere Verantwortung gewesen wäre und wie wir als Spenderverein hätten reagieren sollen. Das ist das Dilemma, das sich jetzt auftut und aus dem wir lernen wollen.” Erst Jahre später, im Jahr 2021, meldete ein Vorgesetzter die Angriffe auch über eine internationale Whistleblower-Plattform der Organisation. So etwas gibt es mittlerweile auch in Österreich, wo solche Beschwerden laut Hauser anonym und als Person gemeldet werden können. So etwas auf eine Plattform wie diese zu stellen, „erfordere viel Mut“, sagte der CEO. „Wir sind sehr glücklich und sehr dankbar, wenn Mitarbeiter diese Ressource nutzen“, sagte Hauser. „Weil dies die Gelegenheit für uns ist, es zu sehen. Wenn Dinge nicht entdeckt werden, bleiben sie unter der Oberfläche.“
Ein Mann hat SOS-Kinderdorf sein Haus vermacht
Der Spender meldete sich bei der Staatsanwaltschaft St. Pölten im Jahr 2021. Der Mann starb jedoch im August, weshalb die Ermittlungen eingestellt wurden. Randnotiz: Sein Haus in Niederösterreich hat er dem Kinderhilfswerk vermacht. Ob SOS-Kinderdorf das Erbe annimmt, sei noch nicht klar, das Erbe müsse noch geregelt werden, sagte Hauser. „Wir sind zutiefst schockiert, dass die Kinder in der Obhut von SOS-Kinderdorf durch einen Spender zu Schaden gekommen sind, und wir tun alles in unserer Macht Stehende, um die jungen Erwachsenen von heute zu unterstützen und den Fall vollständig zu relativieren“, sagte Hauser in einem Interview mit APA. Den Jugendlichen wurde nun psychologische Hilfe angeboten. SOS-Kinderdorf Österreich und SOS-Kinderdorf International haben dem Land jede Art von Unterstützung angeboten, „und das vor allem durch finanzielle Zuwendungen“, sagt Hauser. SOS-Kinderdorf Österreich hat es sich zur Aufgabe gemacht, „betroffenen Kindern eine Entschädigung zukommen zu lassen, wenn sie es wollen“. In Österreich würde diese Entschädigung maximal 25.000 Euro betragen, was auch für Betroffene in dem südostasiatischen Land möglich wäre. Bisher haben sich nur zwei der missbrauchten Jungen zu den Vorfällen geäußert.
Die Kommission untersucht weitere Fälle
Im Mai 2021 veröffentlichte SOS-Kinderdorf Vorwürfe von Kindesschutzverletzungen in einzelnen Ländern und beauftragte ein Gremium unter der Leitung von Waltraud Klasnic, die Unabhängige Kinderschutzkommission (ICC), die Fälle gründlich zu untersuchen und Empfehlungen für die Weiterentwicklung der Organisation auszusprechen. Inzwischen wurden fünf Zwischenberichte erstellt und ein abschließender Jahresabschlussbericht angekündigt, der dann im Februar 2023 vorgelegt werden soll. sagt Hauser. Rund 50 Millionen Euro werden jährlich an SOS-Kinderdorf Österreich gespendet. 76,6 Prozent gehen an österreichische Einrichtungen, 8,7 Prozent an SOS-Kinderdörfer weltweit.