Jedenfalls kratzt Tobias Humor, sowohl bei seiner Arbeit als auch im Gespräch. Und Chuzpe: Wer käme sonst auf die Idee, beim internationalen Regiewettbewerb „ring.award“ 2008 in Graz abwechselnd als Amerikanerin Ginger Holiday und Bulgare Nedko Morakov anzutreten? Die Jury merkte lange nichts – und schließlich gewannen der 1980 in Landshut (Bayern) geborene Regisseur und sein Team den ersten Preis und alle Sonderpreise: den Traum von einer internationalen Karriere. Sein jüngstes Highlight war 2019 die Regie von Wagners Tannhäuser in Bayreuth, einer virtuosen Multimedia-Performance für fortgeschrittenes Publikum, die den zentralen Konflikt radikal vermenschlicht und mit viel Humor neu interpretiert, ohne den ernsten Inhalt zu schmälern oder gar zu beschädigen. Für sein Wien-Debüt, zu dem ihn Stefan Herheim ins MusikTheater an der Wien einlud, fiel die Wahl von Kratzer nun auf Gioachino Rossini, den Komponisten, der damals (auch) das Wiener Publikum in Ekstase versetzte – und Kollegen wie Beethoven und Schubert Neid wurde blass. Heute wird er für Kratzer eher unterschätzt: „Er wurde zu Recht gefeiert. Er ist etwas aus der Mode gekommen, weil er kein psychologischer Komponist ist: Seine Musik liefert nicht das, was man in puncto Introspektion von Mozart und Verdi erwarten würde. Andererseits ist er ein genauer Beobachter von Beziehungen und sozialen Verhältnissen.” Com.”