Der Bundesrat strich 13 Stützungsmassnahmen für Haushalte und Unternehmen aus der Tabelle. Herausgeber Ruedi StuderBundeshaus Trotz deutlich höherer Energiekosten sieht der Bundesrat keinen Anlass, in den Energiemarkt einzugreifen. Vergangene Woche diskutierte er 13 Unterstützungsmaßnahmen für Haushalte und Unternehmen – und lehnte sie alle ab. „Unter anderem wurden verschiedene Varianten der Rückführung der Unternehmen aus dem freien Strommarkt in die Grundversorgung diskutiert“, teilte die Regierung in einer trockenen Stellungnahme mit. Ohne näher ins Detail zu gehen. Um welche Massnahmen es sich dabei handelt, zeigt nun ein Schlüsseldokument des Finanzdepartements von SVP-Bundesrat Guy Parmelin (63), das gemäss Öffentlichkeitsarbeitsgesetz geprüft wurde.
Kein Ohr für Energiekostenzuschuss
Insgesamt fünf Maßnahmen zielten vor allem auf die Entlastung privater Haushalte ab. Drei von ihnen analysierten unterschiedliche Formen der Energieergänzung für Menschen mit geringem Einkommen, die aufgrund der Mehrkosten einen besonders hohen Preis zahlen müssen. Zum Beispiel durch eine zusätzliche Senkung der Krankenkassenprämien. Eine 30-prozentige Erhöhung des Bundesbeitrags würde 913 Millionen Franken kosten. Für die Kantone sei eine Umsetzung bis 2023 «nur mit grossem Aufwand möglich» und ein auf ein Jahr begrenzter Zuschlag «politisch schwer kommunizierbar und durchsetzbar», heisst es in dem Papier. Auch die Variante, den Energiezuschlag über die Krankenkasse über Prämien oder Kostenbeteiligung abzurechnen, scheiterte. Der Aufwand zur Ermittlung der anspruchsberechtigten Haushalte ist sehr groß. Die Gefahr, dass die Unterschiede zwischen den Kantonen zu Ungerechtigkeiten führen, ist sehr gross. Auch die Umsetzung durch die direkte Bundessteuer wurde erwogen. Wer ein bestimmtes Einkommen nicht überschreitet, soll einen Freibetrag erhalten. Das Ziel, einkommensschwache Haushalte zu entlasten, könne “mit sehr hoher Präzision erreicht werden”. Das Problem: Weil es einer gesetzlichen Grundlage bedarf, wäre die Auszahlung frühestens 2024 möglich.
Keine Vergütung für Berufstätigkeit
Als weitere Maßnahme wurde auch die Kürzung der Zuzahlungen für Ergänzungsgeldbezieher diskutiert. Nur wäre eine individuelle Überprüfung der Mietnebenkosten für die rund 278.000 Betroffenen zu aufwendig. Und schliesslich wurde sie auch als „unnötig“ bewertet, da der Bundesrat bereits die allgemeinen Wohnansprüche und Höchstmieten bis 2023 anhebt. „Sollte die Inflation im nächsten Winter weiter steigen, wäre allerdings die Einführung einer Pauschale in Form von Energie erforderlich Zulage für Personen, die EL erhalten, wäre gerechtfertigt und sollte daher in Betracht gezogen werden”, heißt es in dem Papier. Der Bundesrat hörte nicht auf die Idee, die Subventionen für sogenannte Pro-Werke wie Pro Senectute, Pro Infirmis oder Pro Juventute zu erhöhen. Diese helfen bedürftigen älteren oder behinderten Menschen mit einmaligen Leistungen. Dies gilt für AHV- und IV-Rentner. Der Haken: “Menschen, die weder alt noch verwitwet, verwaist oder behindert sind, werden ignoriert.” Zudem sind die Pro-Werke nicht dazu geschaffen, große Teile der Bevölkerung zu unterstützen, sondern gezielt Hilfe in sozialen Härtefällen zu leisten.
Nichts mit “Rücklaufquote”
Der Bundesrat hatte zudem acht Entlastungsmassnahmen für Unternehmen auf dem Tisch. Vielmehr ging es der Regierung um die Rückführung der Gratisstromkunden in die Grundversorgung, wie sie der Gewerbeverband fordert. Derzeit beziehen rund 34.000 Unternehmen ihren Strom am freien Markt. Wie die Basisarbeit zeigt, soll nur derjenige wieder in die Grundversorgung zurückkehren können, der die hohen Kosten sonst nicht tragen kann. Rückkehrer sollen sieben Jahre in der Erstversorgung bleiben. Damit Bestandskunden nicht auf die Rechnung kommen, sieht das Modell zwei Tarife vor: den Basistarif und einen höheren „Rückgabetarif“. Letztere wären auf Basis des Durchschnitts der prognostizierten Einkaufspreise, also Großhandelspreise, ermittelt worden. Aber die Frage der Finanzierung würde zu einem Hindernis werden. Zudem sind derzeit vergleichsweise wenige Unternehmen betroffen und könnten sich auch mit Bankkrediten selbst helfen. Der Bundesrat nahm die Vorlage vom Tisch.
Gegen die Strompreisobergrenze
Auch von einer Strompreisobergrenze zugunsten stromintensiver Unternehmen wollte die Regierung nichts wissen. Besonders komplex wäre die Beantragung – allein die Frage nach „angemessenen Preisen“ für die Lieferung von Strom an den Großhandelsmarkt. Zudem besteht das Risiko, dass die Kosten auf die Allgemeinheit abgewälzt werden. Außerdem ist eine Preisobergrenze mit dem Wettbewerb unvereinbar. Das Papier lässt jedoch eine Hintertür offen: Werden solche Preisobergrenzen im Ausland eingeführt und bedrohen bestimmte Wirtschaftszweige in der Schweiz, kann der Bundesrat gemäss Bundesverfassung Massnahmen zum Schutz der heimischen Wirtschaft ergreifen.
Der Netzzuschlag soll bestehen bleiben
Auch die Idee, das derzeitige Netzentgelt vorübergehend um 2,3 Cent pro Kilowattstunde zu senken, wurde verworfen. Dies könnte erst 2024 geschehen. Vor allem aber würden damit Mittel fehlen, die unter anderem für den Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen vorgesehen sind. Bei jeder Kürzung um 0,1 cm blieben 60 Millionen Franken auf der Strecke. Was den jüngsten Bemühungen des Parlaments zuwiderlaufen würde. Auch Unternehmen wird nicht geholfen, weil die Entlastung vernachlässigbar ist. „Wenn die Rechnung von angeblich 50 Rp./kWh dem Unternehmen ein Problem bereitet, wird es mit 50-2,3 = 47,7 Rp./kWh immer noch ein Problem haben“, resümiert er. Mehr zu Energiekosten Auch eine Absenkung des kalkulatorischen Satzes auf das im Stromnetz gebundene Kapital, die zu niedrigeren Netznutzungsentgelten geführt hätte, wurde abgelehnt. Ein normaler Haushalt hätte mit 1 Prozent Reduktion knapp über 15 Franken gespart. Auch die Idee, den Strompreis unterjährig anzupassen, wurde als wenig zielführend verworfen. Auch der Vorschlag, hohe Strompreise an stromintensive Unternehmen über den Netzzuschlagsfonds oder eine neue Stromgewinnsteuer zurückzuzahlen, scheiterte – da auch dies einer Strompreisobergrenze gleichkäme.
Keine Bundesenergieförderungsdarlehen
Auch die Vergabe von Energiesolidaritätsbürgschaftsdarlehen – ähnlich den Corona-Hilfsdarlehen während der Pandemie – wurde als Unterstützungsmaßnahme erwogen. Die Zeitung kommt jedoch zu dem Schluss, dass die Situation, wenn auch nur quantitativ, nicht mit der Coronavirus-Krise vergleichbar sei. Unternehmen haben diesmal auch genügend Zeit, das Gespräch mit ihrer Hausbank zu suchen. „Während der Lockdown im Frühjahr 2020 plötzlich Unternehmen traf, bewegt sich das Preisniveau an den Strombörsen seit Monaten auf hohem Niveau.“ Entscheide sich die Bundesregierung für ein solches Programm, “müßte es wohl ein höheres Verlustrisiko tragen als das übliche Bürgschaftsprogramm, um wirksam zu sein”. Im Worst-Case-Szenario bezifferten Experten den maximalen Finanzbedarf auf «fast 41 Milliarden Franken» für alle Unternehmen. Für diejenigen, deren Stromvertrag Ende Jahr ausläuft, wären es höchstens rund 8,5 Milliarden Franken. Auch der Bundesrat unterstützte die Idee nicht.
Die Sondersteuer sinkt
Schließlich fand die Idee einer überzogenen Gewinnbesteuerung im Stromsektor, für die SP-Energieministerin Simonetta Sommaruga (62) öffentliche Sympathie gezeigt hatte, in der Landesregierung nur sehr wenig Unterstützung. Sommaruga über Energiekonzerne: „Manche Unternehmen machen Milliardengewinne“ (03:39) Und das, obwohl die Einnahmen an die Endverbraucher umverteilt oder in die Förderung erneuerbarer Energiequellen investiert werden könnten. „Die Einführung einer Überschusssteuer kann bei potenziellen Investoren Zweifel an der Standortqualität aufkommen lassen und Investitionen in anderen Sektoren als dem Stromsektor beeinträchtigen“, warnt das Papier.
Fazit: Kein Handlungsbedarf
Am Ende nahm der Bundesrat alle 13 Stützungsmassnahmen vom Tisch. Denn alle Maßnahmen seien „mit gravierenden Eingriffen, möglichen Problemen bei der Umsetzung und unerwünschten Nebenwirkungen verbunden“, schreibt die Regierung in einer Stellungnahme zu ihrer Entscheidung. Weder die Wirtschaftslage noch die Inflation würden einen Eingriff im kommenden Winter rechtfertigen. Fazit des Bundesrates vorerst: kein Handlungsbedarf.