Georg Andesner ist österreichischer Staatsbürger, aber in der Schweiz aufgewachsen. Georg Andesner (63) hat Tränen in den Augen. “Ich finde es nicht richtig, wenn man so mit Menschen umgeht”, sagt er gegenüber Blick. Der gebürtige Österreicher verbrachte fast sein ganzes Leben in der Schweiz – doch der Kanton Thurgau will ihn trotzdem abschieben. Seit Jahren kämpft er immer wieder gegen die Ausländerbehörde. Adesner ist im Kanton Zürich aufgewachsen, hat dort gearbeitet, Steuern bezahlt und in die AHV eingezahlt. Er hielt es jedoch nie für nötig, einen Schweizer Pass zu beantragen. „Es fühlte sich so normal an, dass es mir nicht einmal in den Sinn kam“, sagt sie. Falsch, wie sich herausstellt.
Die Liebe führte ihn über Grenzen hinweg
Der Vogelzüchter zog in den 2010er Jahren der Liebe wegen nach Deutschland. Die Beziehung zerbricht nach fast zehn Jahren – Andesner kehrt 2019 in seine alte Heimatstadt zurück. Er findet eine Bleibe im Kanton Thurgau. Aber einen Job zu finden, erweist sich als schwierig, besonders für einen Mann über 60. Da er seit mehr als sechs Monaten ausserhalb der Schweiz war, stufte der Kanton bei der Einreise seine bisherige C (Niederlassungsbewilligung) auf B (Aufenthaltsbewilligung) herab. Adesner hätte bei seiner Ausreise trotz Auslandsaufenthalt die C-Bewilligung auf bis zu vier Jahre verlängern können, tat es damals aber nicht.
200 Anwendungen, nach dem Ausscheiden
Da er 2019 vorzeitig in den Ruhestand gehen und dem Staat nicht zur Last fallen wollte, suchte er dringend irgendeine Stelle. Nach über 200 Bewerbungen wandte er sich verzweifelt an den Kanton Thurgau um Hilfe bei der Stellensuche – und wurde prompt zum ersten Mal des Landes verwiesen. „Aus den Akten geht hervor, dass Georg Adesner selbst nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, um seinen Lebensunterhalt eigenständig finanzieren zu können“, schrieb die Ausländerbehörde damals. Mit Hilfe eines Anwalts gewinnt Adesner diesen ersten Abschiebekampf zunächst außergerichtlich.
Es folgt die erneute Landesvertreibung
Nach diesem Schock geht es erst einmal wieder aufwärts: Der Österreicher bekommt eine Stelle bei einem Reinigungs- und Transportunternehmen in Winterthur ZH. “Ich hatte einen schönen Job, der zu mir passte und mich glücklich machte.” Doch kurz darauf folgte die weltweite Coronavirus-Pandemie. Adesners Firma überlebt nicht, er verliert seinen Job – und die Probleme fangen von vorne an. Adesner wird im Frühjahr 2022 vorzeitig pensioniert. Mit seiner Rente von 1380 Franken kann er allerdings nicht überleben. Also beantragt er Ergänzungsleistungen – und bekommt Post von der Ausländerbehörde. In der kantonalen «Rechtsverhandlung» hält die Behörde fest, dass Adessner den grössten Teil seines Lebens in der Schweiz verbracht hat, aber: «Da sich Georg Adessner seit mehreren Jahren freiwillig in Deutschland aufhält, erweist sich die beabsichtigte Abschiebung als sachgerecht.»
Gutachten, um die Ausländerbehörde zu überzeugen
“Meine Familie und Freunde leben hier, ich will hier nicht weg!” sagt Adesner frustriert. Zusammen mit seinem Anwalt reichte er eine schriftliche Erklärung über seinen Aufenthalt in der Schweiz ein. Der sechsseitige Brief besagt, dass Adesner 53 seiner 63 Jahre in der Schweiz verbracht hat. Außerdem hat seine derzeitige Partnerin ihr Arbeitspensum erhöht, um finanzielle Schwierigkeiten zu vermeiden. Mit Bauchschmerzen wartet der Österreicher nun auf die Antwort der Ausländerbehörde. Wortwörtlich, weil Adesner seit Beginn der Probleme von Magenkrämpfen geplagt wird und kein Geld für einen Test hat. Selbst eine Prozesskostenhilfe kann sie sich bald nicht mehr leisten: “Ich lebe weit unter dem Existenzminimum und ich wünschte, es gäbe eine Anlaufstelle für Einzelfälle wie mich.” Das Migrationsamt Thurgau wollte sich auf Anfrage von Blick nicht zu dem Fall äussern.