Die Mission stand lange unter keinem guten Stern: Nach Verzögerungen und explodierenden Kosten wurde der erste Teststart mehrfach verschoben, unter anderem wegen zweier Stürme und technischer Probleme. Der Flug mit dem Namen Artemis I wird die Fähigkeit der Rakete und der Kapsel testen, Menschen sicher zu transportieren, während sie wissenschaftliche Experimente transportieren und durchführen. Mit dem Artemis-Programm plant die NASA im großen Stil die Zukunft der bemannten Raumfahrt. „Wir steigen zusammen auf, zurück zum Mond und darüber hinaus“, sagte Nasa-Sprecher Derrol Nail, der den Start live kommentierte, als die mächtige Rakete mit dröhnenden Triebwerken in den Nachthimmel über Cape Canaveral raste. Artemis I ist die erste Stufe des ehrgeizigen Programms. Artemis II soll mit einer vierköpfigen Besatzung den Mond umkreisen. Mit Artemis III sollen endlich wieder Menschen auf dem Mond landen, darunter auch die erste Frau. Die Expedition wurde nach der Zwillingsschwester des griechischen Gottes des Lichts, der Weissagung und der Künste benannt. Artemis, die Göttin der Fruchtbarkeit selbst, repräsentiert die moderne Version des Apollo-Programms in der Raumfahrt, das amerikanische Astronauten von 1969 bis 1972 zum Mond brachte. Am Mittwoch umkreiste die Orion-Raumkapsel die Erde zwei Stunden lang, bevor sie sich auf einen geplanten Kurs begab, um sie zum Mond und zurück zur Erde zu bringen. Angetrieben wird die Raumsonde vom European Service Module ESM, das auch Strom, Wasser und Luft liefert und auf Temperatur hält. Orion soll am 11. Dezember zur Erde zurückkehren. Das Antriebs- und Leistungsmodul muss beim Wiedereintritt vom Besatzungsmodul getrennt und in der Atmosphäre verbrannt werden.
Hefe und Menschen
Wenige Stunden nach dem Start schickte die Raumsonde zehn kleine Würfelsatelliten (englisch: Cubesats) ins All. Eine besteht darin, das Eis, eine gefrorene Aufzeichnung der Geschichte des Sonnensystems, auf der Mondoberfläche zu kartieren. Eis in Polarkratern könnte wertvolle Ressourcen für die Mondbesiedlung enthalten. Ein zweiter Cubesat sucht nach Wasser in Wasserstoffform. Es wird die bisher höchstauflösende Neutronenkarte erstellen, die zeigt, wo sich Wasserstoff befindet. Die unbemannte Mondrakete Artemis I startet am 16. November vom Kennedy Space Center der NASA in Cape Canaveral, Florida. – © afp/Greg Newton Ein dritter kubischer Satellit stammt aus Japan. Es soll zur Mondoberfläche fliegen und eine winzige, mit Airbags ausgestattete Sonde aus einigen hundert Metern Höhe absetzen. Die Sonde soll im freien Fall auf die Oberfläche treffen, die Strahlungsumgebung messen und diese Messungen zurück zur Erde übertragen. Mit nur 700 Gramm wird es das kleinste jemals gebaute Mondmodul sein, sagte Tatsuaki Hashimoto, Projektmanager bei der Japan Aerospace Exploration Agency, gegenüber der Zeitschrift Nature. Ein weiterer kleiner Satellit wird statt zum Mond auf einen Asteroiden zusteuern. Ähnlich wie ein Schiff mit dem Wind segelt, muss es ein Sonnensegel entfalten und durch den Weltraum zum Asteroiden 2020 GE navigieren, an ihm vorbeifliegen, ihn fotografieren und untersuchen, woraus er besteht. Außerdem soll es seine komprimierten Daten aus dem All zur Erde schicken. Andere Experimente bleiben auf Orion. Aus dem Orbit messen sie die Auswirkungen von Strahlung auf lebende Organismen und das Wachstum von Pflanzen und Zellen in der Mikrogravitation, indem sie Hefe in Inkubatoren verwenden. „Da Menschen 70 Prozent ihrer DNA mit Hefe teilen, erlaubt uns dies, Einblicke in die Überlebenschancen des Menschen im Weltraum zu gewinnen“, sagt der in Österreich geborene Astronom Tobias Niederwieser, der an diesen Experimenten an der University of Colorado in Boulder beteiligt ist.
“Astronautinnen-Phantom”
An Bord befinden sich auch zwei Puppen. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt nannte die „Geister-Astronautinnen“ Zohar und Helga. Beide sind mit Strahlendetektoren ausgestattet, aber nur einer trägt eine Strahlenschutzweste. Es wird getestet, ob die spezielle Schutzweste einen weiblichen Körper effektiv vor gefährlicher Weltraumstrahlung schützen kann. Hauptziel von Artemis I ist es, das Zusammenspiel der neuen Systeme, die Manövrierfähigkeit im Mondorbit und den Hitzeschild beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre zu testen. Der erste bemannte Start ist frühestens 2025 geplant. Drei ESA-Astronautenflüge seien im Rahmen von Artemis mit der NASA vereinbart worden, sagt Generaldirektor Josef Aschbacher: „Vielleicht können wir sogar einen Astronauten zum Mond selbst bringen.“ Später sollen Außenposten auf dem Mond und in seiner Umlaufbahn errichtet werden, auch als Basis für eine mögliche Mission zum Mars.